High-Tech-Schummeln: Wenn die KI die Antworten ins Ohr flüstert
Ein TI-84-Taschenrechner gilt als Standardmodell in vielen Schulklassen, besonders in Schulen mit technischer Ausrichtung wird er gerne verwendet. Er kann auf seinem Farbdisplay komplexe mathematische Graphen anzeigen und Schüler können ihn sogar selbst programmieren. Ein Bastler auf YouTube stattete den Taschenrechner sogar mit einem WLAN-Chip aus und brachte darauf ChatGPT zum Laufen. Sein Werk bezeichnete er als das “ultimative Schummelgerät”.
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Taschenrechner mit Internetzugang gibt es bereits online zu kaufen, man muss sich so ein Schummelgerät nicht selbst zusammenbauen. Damit lassen sich Informationen einfach ergoogeln und sogar mit Mitschülern chatten. Daneben werden auch andere Geräte angeboten, die explizit fürs Schummeln genutzt werden können. Neben dem berühmten Knopf im Ohr und der als Hemdknopf getarnten Kamera werden auch noch Kugelschreiber mit einem kleinen Display angeboten, die den Spickzettel anzeigen. Unauffällig soll auch eine spezielle Smartwatch sein, deren Display nur mit einer polarisierten Brille zu lesen ist. Ob so etwas von Lehrerinnen und Lehrern unbemerkt bleibt, sei dahingestellt.
Unauffälliger ist da schon ein kabelloses Hörgerät, über das ein Komplize während einer mündlichen Prüfung die richtige Antwort ins Ohr flüstert. Hier stellt sich allerdings die Frage, wie glaubwürdig es ist, wenn man plötzlich mit einem Hörgerät auftaucht.
Mit Kopfverband zur Prüfung
Auffällig war etwa ein Schüler, der nach einem mutmaßlichen Unfall mit einem Kopfverband zur Prüfung angetreten ist, erzählt Christoph Jank, Direktor der BHAK / BHAS Gänserndorf. Dass er darunter kabellose Kopfhörer versteckte, durch die er sich die richtigen Antworten einsagen ließ, wurde spätestens klar, als er die Prüfungsfragen laut vorlesen musste, damit er eine Antwort erhält. “Schummler hat es schon immer gegeben”, sagt Jank. “Da ist es ganz klar, dass so etwas auch mit der Zeit geht.”
Laut Lehrergewerkschaft sind High-Tech-Schummelgeräte in Österreich allerdings kein alltägliches Problem, gespickt wird weiterhin klassisch, indem man sich die Informationen auf einen Spickzettel, das Lineal oder die Hand schreibt. Auch Bernhard Gmeiner, Lehrer am GRG15 Auf der Schmelz in Wien, stimmt damit überein. “Es kann natürlich sein, dass die Notizen auf ein verstecktes Smartphone oder eine Smartwatch kopiert werden. Aber dass ChatGPT während Tests zum Schummel verwendet wird, habe ich noch nicht erlebt”, sagt Gmeiner. Das wird zusätzlich erschwert, weil vor Prüfungen Handys und Smartwatches abgegeben werden müssen, sagt Jank.
ChatGPT als "Hausaufgabenhilfe"
Dass aber bei der Hausübung die Künstliche Intelligenz bemüht wird, ist keine Seltenheit mehr. “Aufgaben, bei denen man ein paar Seiten aus einem Buch lesen und dazu Fragen beantworten soll, sind eigentlich überflüssig geworden”, sagt Gmeiner. Da wird einfach das Handy gezückt, ein Bild des Textes gemacht und der Künstlichen Intelligenz gefüttert - die meisten Schüler verwenden hierbei die Gratisversion von ChatGPT und Microsofts Copilot, der ebenfalls auf ChatGPT basiert.
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Diese KI-Schummeleien sind allerdings sehr leicht erkennbar. Zum einen unterscheidet sich der generierte Text von dem normalen Schreibstil des Schülers, zum anderen verwendet ChatGPT immer noch Formulierungen, die das Programm als KI entlarven. “Und die wenigsten verwenden ClaudeAI, das einen natürlicheren Text-Output liefert”, sagt Gmeiner.
Alternativen zu Onlineprüfungen
Auch auf universitärer Ebene gehört Schummeln mit KI eher zu den Ausnahmefällen. Johannes Schmidt, Professor an der Universität für Bodenkultur in Wien, hat bereits Anfang 2023 - wenige Monate nach dem ChatGPT-Start - erste Studenten und Studentinnen erwischt, die sich bei einer Onlineprüfung von der KI unter die Arme greifen haben lassen. “In den vergangenen 2 Jahren gab es allerdings sehr weniger Fälle”, sagt Schmidt, “und meine Trefferquote - wenn ich Studierende darauf anspreche - liegt bei 100 Prozent. Allerdings kenne ich die Dunkelziffer nicht.” Man gehe allerdings vermehrt davon ab, Onlineprüfungen abzuhalten, die parallel mit KI-Tools verwendet werden können.
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Auch Englischlehrer Gmeiner spricht sich dafür aus, Wissen in anderer Form abzuprüfen - etwa durch Audio- und Videoformate, die die Schülerinnen und Schüler erstellen und abgeben müssen. Wer hier schummeln will, muss nämlich wirklich tief in die KI-Trickkiste greifen. Gmeiner erzählt als Beispiel von einem Schüler, der einen Spanisch-Monolog als Video aufnehmen sollte. Der Schüler aus der 8. Klasse ließ den Monolog von ChatGPT in Deutsch erstellen, übersetzte ihn mit einer Translations-App ins Spanische und nutzte eine Teleprompting-App am Handy, um den Text während der Videoaufnahme abzulesen.
Ein anderer Schüler klonte für eine Audio-Aufgabe sogar seine Stimme und ließ einen Text von ChatGPT vorlesen. “Solche Schüler sind allerdings sehr technikaffin und tun sich eigentlich eher leicht im Unterricht”, sagt Gmeiner. Vielmehr seien sie von den Arbeitsaufgaben gelangweilt, weshalb sie auf die KI zurückgreifen.
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KI kann auch helfen
Künstliche Intelligenz ist bereits fester Bestandteil des Schulalltags und kann auch produktiv genutzt werden, wie Gmeiner sagt. Etwa als Lernhilfe, um sich einen Lernplan erstellen zu lassen, oder um eigene Texte umzuschreiben und diese dann zu analysieren. “Wo Schatten ist, ist auch Licht”, sagt auch Jank. Es gehe darum, KI als Hilfsmittel sinnvoll einzusetzen, sie allerdings auch kritisch zu hinterfragen. “Das sind die Kompetenzen, die man den Jugendlichen mitgeben muss”, sagt Jank.
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