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Ein Jahr Android-Bann: So steht Huawei ohne Google da

Im Mai 2019 stellte ein Erlass der US-Regierung den Smartphone-Markt auf den Kopf: US-Unternehmen wurde plötzlich die Zusammenarbeit mit dem chinesischen Handy-Hersteller und Netzwerkausrüster Huawei verboten.

Google durfte seine Dienste fortan nicht mehr auf neuen Huawei-Smartphones zur Verfügung stellen. Auch anderen US-Unternehmen wie Qualcomm, Intel oder Broadcom wurde eine Kooperation mit Huawei untersagt. Ein Ende des sogenannten Android-Banns zeichnet sich nicht ab. Denn die Handelsbeschränkungen wurden erst vor wenigen Tagen bis Mai 2021 verlängert

Huawei steht schon lange in der Kritik der USA

Aber ganz so plötzlich kam dieser Erlass nicht: Die US-Regierung ermittelt bereits seit 2012 gegen Huawei. Die USA werfen dem chinesischen Unternehmen vor, die nationale Sicherheit zu gefährden und mit den chinesischen Behörden zusammenzuarbeiten.

Außerdem stehen auch Anschuldigungen wegen Diebstahls geistigen Eigentums sowie Betriebsspionage, Behinderung der Justiz und Umgehung der US-Sanktionen gegen den Iran im Raum. 

Regelmäßig wurde Huawei in den vergangenen Jahren auch die Nähe zum chinesischen Staatsapparat vorgeworfen. China könnte Huawei-Geräte nutzen, um Firmen, Politiker und Nutzer auszuspionieren, so die Mutmaßung. Huawei beteuerte stets seine Unschuld.

FILE PHOTO: A 3D printed Huawei logo is placed on glass above displayed US flag in this illustration

Seit Inkrafttreten des Android-Banns ist nun ein Jahr vergangen und Huawei hat in dieser Zeit versucht, die Verluste durch die Handelseinschränkungen so gut wie möglich wett zu machen. Wir haben uns angesehen, wie es um das Google-freie Huawei-Ökosystem steht.

Was bedeutet der Android-Bann für Huawei-Smartphones?

Alle neuen Huawei-Handys bekommen von Google keine Lizenz mehr. Das heißt, Huawei kann zwar die quelloffene Version (AOSP) von Android verwenden, muss aber auf Google-Dienste (Google Mobile Services - GMS) verzichten.

Für all jene Huawei-Handys, die bereits im Handel oder von Nutzern in Gebrauch sind und auf denen die Google-Services laufen, ändert sich nichts. Sie werden auch in Zukunft die Google-Dienste nutzen können. Der Grund: Huawei hat für diese Geräte bereits vor Inkrafttreten des Android-Banns eine Google-Lizenz erhalten. 

Wieso kommen immer noch Huawei-Smartphones mit Google-Diensten auf den Markt? 

Hier greift Huawei in die Trickkiste und bedient sich zum Teil von seiner Tochtermarke Honor, für die übrigens auch der Android-Bann gilt. Huawei nimmt beispielsweise einfach ein Honor-Smartphone oder ein älteres Huawei-Handy, das bereits eine Google-Lizenz hat.

Ein neuer Name, kleinere Veränderungen am Design und an vereinzelten Komponenten und schon kann ein "neues" Huawei-Smartphone inklusive Google-Apps auf den Markt kommen, beispielsweise das Huawei P Smart 2020 oder das Huawei Nova 5T

Wie läuft ein Huawei-Smartphone ohne Google-Dienste?

Der Android-Bann bedeutet nicht nur, dass Huawei-Nutzer auf populäre Google-Dienste wie PlayStore, Maps, Gmail, Drive oder Photos verzichten müssten, sondern auch, dass Dienste im Hintergrund, die so genannten Google Mobile Services (GMS) auf den Geräten nicht funktionieren.

Manche Apps benötigen allerdings die GMS, damit sie einwandfrei laufen. Installiert man diese Apps auf einem Huawei-Handy, kann es sein, dass sie entweder gar nicht oder nur eingeschränkt funktionieren.

Um die GMS ersetzen zu können, hat Huawei mittlerweile seine eigenen Dienste entwickelt - die Huawei Mobile Services (HMS). Nun ist Huawei dabei, den App-Entwicklern, die Implementierung der HMS schmackhaft zu machen. Im Zuge dessen versucht Huawei auch, die Entwickler dazu zu bewegen, dass sie ihre Apps im Huawei-App-Store App Gallery anbieten.

Wie lädt man Apps auf das Handy, wenn es keinen PlayStore gibt?

Als Alternative zum Google PlayStore steht Huawei-Nutzern der hauseigene App-Store namens App Gallery zur Verfügung. Huawei wirbt damit, dass in der App Gallery Zehntausende Anwendungen angeboten werden. Die bloße Anzahl an Apps hilft allerdings nichts, wenn genau die populären Anwendungen, die man ständig verwendet, dort nicht zu finden sind.

Wie steht es um Huaweis App-Store "App Gallery"? 

Als ich mir im Oktober vergangenen Jahres die App Gallery genauer angesehen haben, musste ich feststellen, dass praktisch keine der Apps, die ich gerne auf dem Mate 30 installieren wollte, in der App Gallery von Huawei zu finden waren.

Nun habe ich das Ganze wiederholt und es hat sich einiges verändert: Auch wenn die App Gallery noch meilenweit davon entfernt ist, dem Google PlayStore das Wasser reichen zu können, sind mittlerweile einige populäre und auch ein paar regionale Apps dort zu finden.

Beispielsweise sind jedoch Spotify, Reddit, Uber, SoundCloud oder viele Messenger-Dienste dort nicht auffindbar. Facebook oder WhatsApp sind offiziell ebenso nicht in der App Gallery vertreten. Sucht man nach den beiden Apps, wird man jedoch zur Facebook-Website beziehungsweise WhatsApp-Homepage weitergeleitet, wo man sich die aktuelle APK direkt vom Hersteller installieren kann. Bei Instagram wird man an die Browser-Version weitergeleitet.

Wie kommen Huawei-Nutzer dann zu ihren Apps?

Wer ein altes Huawei-Handy samt Google-Diensten nutzt und auf ein neues Google-freies Huawei-Smartphone umsteigen will, kann den Großteil seiner Apps einfach auf das neue Gerät mitnehmen. Die Huawei-App Phone Clone kopiert die Inhalte vom alten auf das neue Gerät. Auf diese Weise können auf dem neuen Huawei-Handy Anwendungen installiert werden, die gar nicht in der AppGallery vorhanden sind.

Bei den allermeisten Apps funktioniert das einwandfrei. Manche Apps wurden bei mir allerdings nicht kopiert. Und bis auf GoogleMaps sind auch sämtliche Google-Anwendungen bei der Übertragung "verloren gegangen".

Wie kann ich sonst meine Apps auf dem Huawei-Handy installieren?

Können die Apps nicht von einem alten Handy übertragen werden und sind sie auch nicht in der Huawei App Gallery zu finden, dann hilft nur mehr der Weg zu einem Drittanbieter-App-Store.

Und hier gilt Vorsicht. Auch wenn es keine Garantie gibt, dass sämtliche Apps aus dem Google PlayStore frei von Malware sind, hat man bei Drittanbieter-App-Stores kaum bis keine Anhaltspunkte, wie vertrauenswürdig die Stores beziehungsweise die heruntergeladenen APKs sind.

Dem Google PlayStore am nächsten kommt der Drittanbieter-App-Store APKPure, den es auch als Smartphone-App gibt. Angeblich bedient sich APKPure den originalen APKs aus dem PlayStore, weshalb dieser Drittanbieter-App-Store vielfach als weitgehend sicher betrachtet wird.

Suche in der APKPure-App nach Uber

Zu finden sind dort tatsächlich sämtliche Apps und sie lassen sich auch auf einem Google-freien Handy installieren. Auf diesem Weg können auch manche Google-Apps auf einem Huawei-Handy installiert werden. Die Funktionalität ist dabei allerdings meist stark eingeschränkt.

Auch wenn sich manche Anwendungen über APKPure installieren lassen, können sie auf einem Google-freien Huawei-Smartphone herumzicken, vor allem wenn sie auf die GMS angewiesen sind. Ebenso lassen sich besonders sicherheitskritische Apps, wie Banking-Anwendungen, nicht über diesen Installationsweg verwenden.

Wie sieht es dann mit Banking-Apps aus?

Banking-Apps können weder über Drittanbieter-App-Stores installiert werden, noch lassen sich diese Apps von alten Handys auf neue Smartphones übertragen. Sie müssen aus Sicherheitsgründen direkt aus dem Google PlayStore auf das Gerät geladen werden und können nicht als bloße APK installiert werden.

In der Huawei App Gallery sind bisweilen keine Apps von österreichischen Banken zu finden. Gibt man in das Suchfeld beispielsweise "Erste Bank George" ein, wird eine so genannte Quick-App namens George angezeigt. Dabei handelt es sich laut Huawei um abgespeckte Anwendungen, die nur einen Bruchteil des Codes einer nativen App umfassen und ohne klassische Installation auskommen. Rein optisch handelt es sich im Falle von George um die mobile Browser-Version des Erste-Bank-Online-Bankings.

Zu den Quick-Apps von Bawag und Bank Austria wird man ebenso in der App Gallery weitergeleitet. Bei Raiffeisen oder Elba zeigt die Suche keine Treffer an.

Um sich in der mobilen Browser-Version oder einer entsprechenden Quick-App einloggen zu können, ist allerdings noch eine TAN- oder Identity-App notwendig. Diese kann natürlich ebenso wenig auf dem Huawei-Handy installiert werden, weshalb man sich je nach Praxis der Bank nach alternativen Log-in-Möglichkeiten umsehen muss. 

Wie werden Apps aktualisiert?

Hat man eine Anwendung aus der Huawei App Gallery installiert, kann diese - ähnlich wie im Google Play Store - automatisch über den offiziellen App-Store aktualisiert werden. Hat man allerdings eine App von einem alten Huawei-Handy mitgenommen oder sie über einen Drittanbieter-App-Store installiert, sieht die Sache ein wenig komplizierter aus. 

Will man ein App-Update über APKPure einspielen, muss jede Aktualisierung einzeln bestätigt werden. Nach dem Download des Updates muss noch einmal die Installation bestätigt werden.

Das ist nicht nur umständlich und nimmt viel Zeit in Anspruch, es ist auch nicht ganz ungefährlich, weil sich eben nur schwer nachvollziehen lässt, woher die APKs der Apps stammen. Auch wenn es heißt, dass die APKs direkt von den Herstellern über den PlayStore bezogen werden.

Bei Anwendungen, die keine oder kaum Zugriffsberechtigungen benötigen, fällt dies vielleicht nicht so sehr ins Gewicht. Bei Apps, die sich zahlreiche und tiefgreifende Rechte einräumen, wie etwa den Zugriff auf Fotos, Mikrofon oder Kamera, sieht das schon anders aus.

Welche Einschränkungen gibt es sonst noch?

Abgesehen von den Beschränkungen auf der Software-Seite machen sich die Handelsbeschränkungen auch nach und nach an anderen Stellen bemerkbar. Beispielsweise lassen sich Inhalte von einem Google-freien Huawei-Handy nicht an einen Chromecast übertragen.

Auch musste Huawei beim P40 Pro etwa auf die hochwertigen aptX-Audiocodecs verzichten. Die Lizenz dieser Codecs liegt beim US-Unternehmen Qualcomm, das diese Technologie dem chinesischen Hersteller nicht zur Verfügung stellen darf.

Außerdem wurde erst vor wenigen Tagen bekannt, dass die Zusammenarbeit zwischen Huawei und seinem wichtigsten Chiphersteller TSMC verhindert wurde. Die Kirin-Prozessoren von Huaweis Tochterunternehmen HiSilicon werden von TSMC gefertigt. Das wirft nun die Frage auf, wie Huawei künftig seine Prozessoren herstellen will. Eine Antwort darauf, gibt es vorerst noch nicht.

Wie geht es nun für Huawei weiter?

Auch wenn Huawei im ersten Jahr des Android-Banns hervorragende Geräte auf den Markt gebracht hat, sind die Einschränkungen deutlich zu spüren. Huawei betont stets, dass das Unternehmen viel Geld in die Entwicklung seines eigenen Ökosystems investiert und tatkräftig um die Gunst der App-Entwickler wirbt. 

Wie sich die Handelsbeschränkungen auf die künftige Huawei-Hardware auswirken werden, lässt sich schwer abschätzen, da die jüngsten Einschränkungen erst vor wenigen Tagen publik gemacht wurden.

Fazit

Sowohl im Highend-Bereich als auch im Mittelklassesegment zählen Huawei-Handys mit ihrer Hardware nach wie zu den besten Smartphones. Daher ist es aus Sicht der Nutzer vor allem schade, dass die Attraktivität der Huawei-Geräte durch die Handelsbeschränkungen stark gemindert wird. Ein Ökosystem, wie man es von Google gewöhnt ist, lässt sich nicht von heute auf morgen realisieren - da ist Geduld gefragt. Auch wenn Huawei alles daran setzt, die GMS zu ersetzen, wird es noch dauern, bis sie eine brauchbare Alternative für Nutzer darstellen, die an Google gewöhnt sind.

Ein Google-freies Huawei-Smartphone zu verwenden, kann im Alltag die Nerven stark beanspruchen. Die User Experience ist einfach nicht dieselbe, wie auf einem Handy mit Google-Services: Die Suche nach Apps sowie das Installieren und Aktualisieren der Anwendungen sind aufwendig und zum Teil frustrierend. Und außerdem stellt sich die Frage der Sicherheit von Apps aus einem Drittanbieter-App-Store.

Wer darüber hinaus im Google-Ökosystem verankert ist, die Google-Cloud nutzt und täglich auf Google-Dienste wie Gmail, Maps, Calendar, Photos oder YouTube zugreift, wird sich mit einem Google-freien Handy besonders schwer tun. Die Alternativen wie die Huawei Cloud, Huawei Music oder Huawei Video können den Google-Pendants nicht das Wasser reichen. 

Wer Google jedoch ablehnend gegenüber steht und die Dienste des Unternehmens ohnehin nicht verwendet, könnte den Griff zu einem neuen Huawei-Handy wagen. Aber auch in diesem Fall wird man mit Einschränkungen und Fragen der Sicherheit konfrontiert werden, Stichwort Banking-Apps und Drittanbieter-App-Stores.

Eines zeigt der Android-Bann aber auch: Die Abhängigkeit von Google. Auch wenn Android als offenes Betriebssystem konzipiert wurde, hat es Google geschafft, die Smartphone-Hersteller und Android-Nutzer in eine Art Abhängigkeitssituation zu bringen. 

Insofern wird es für Huawei in den kommenden Monaten und Jahren ein langer und steiniger Weg, bis die Geräte des chinesischen Herstellers wieder auf Augenhöhe mit der Konkurrenz stehen.

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Florian Christof

FlorianChristof

Großteils bin ich mit Produkttests beschäftigt - Smartphones, Elektroautos, Kopfhörer und alles was mit Strom betrieben wird.

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Florian Christof

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