Nothing Headphone 1 im Test: Kopfhörer als Statement
Der Aufschrei auf Social Media war dieses Mal größer als sonst. Auf der Plattform Reddit brüskierten sich die Nutzer über das Design der neuen Kopfhörer der britischen Smartphonemarke Nothing, das bereits auf Leaks zu sehen war. Zu klobig, zu auffällig, zu kantig, zu viel Schnickschnack.
Das junge Unternehmen, das 2020 vom ehemaligen OnePlus-Manager Carl Pei gegründet worden ist, bleibt allerdings seiner Designsprache treu. Die industriell anmutenden Nothing Headphone 1 mit transparenten Elementen können dem Unternehmen sofort zugeordnet werden.
Zusammenarbeit mit KEF
Es sind die ersten Over-Ear-Kopfhörer von Nothing. Das Unternehmen konnte zwar bereits mit einigen In-Ears Erfahrungen im Audiobereich sammeln und hat sogar einen Open-Ear-Kopfhörer im Portfolio, den man nur um die Ohrmuschel hängt. Für Nothing Headphone 1 holte man sich allerdings Unterstützung der britischen Audioveteranen KEF. Das gut 60 Jahre alte Unternehmen ist für Soundsysteme im höheren Preisbereich bekannt.
Man wollte etwas Neues versuchen, etwas, das sich aus der Masse hervorhebt, sagt Pei zu den Kopfhörern. Die schwarzen, ovalen Over-Ears mit schwarzem Bügel und matter Oberfläche würden nicht der Vision des Unternehmens entsprechen, dass Technik wieder „Spaß“ machen sollte.
Transparent, kantig, oval
Inwiefern das Design von Kopfhörern Spaß machen soll, sei dahingestellt. Von vorn hat der Kopfhörer ein eher unauffälliges Profil. Betrachtet man sie von der Seite, sind sie jedenfalls ein Hingucker mit ihrer ovalen, transparenten Lautsprechermuschel, die auf einer rechteckigen, kasettenförmigen Basis aus Aluminium sitzt. Die Kopfhörer gibt es in Schwarz und Grau-Weiß, wobei das schwarze Exemplar das unauffälligere ist.
© Marcel Strobl
Die Polster sind in beiden Farbvarianten in Schwarz gehalten und äußerst bequem. Sie umfassen auch große Ohren vollständig und üben einen guten, nicht unangenehmen Druck aus. Der etwa ein Finger breite Bügel ist oben ebenso gepolstert. Für meinen Geschmack könnte dieser etwas breiter sein, damit sich das Gewicht der Kopfhörer etwas besser auf dem Kopf verteilt. Mit knapp 330 Gramm befindet sich das Modell im Mittelfeld der Over-Ear-Kopfhörer. Die beliebten Sony WH-1000XM6 bringen gut 70 Gramm weniger auf die Waage, die AirPod MAX von Apple gut 50 Gramm mehr.
Plastik und Aluminium
Die Verarbeitung fühlt sich hochwertig an, durch den Aluminiumrahmen klackert er allerdings unangenehm, wenn die Lautsprecher aneinanderschlagen. Immerhin sind in der kurzen Testzeit hier noch keine Kratzer entstanden. Auch die Basis der Bügel besteht aus Aluminium, um das Scharnier kaputtzumachen, ist also einiges an Kraft erforderlich. Der flexible Plastikbügel selbst fühlt sich allerdings etwas billig an - und lässt sich nicht falten. Wer Nothing Headphone 1 kompakt im Handgepäck verstauen will, sollte daher etwas mehr Platz einrechnen. Dafür ist eine Aufbewahrungshülle aus Filzstoff im Paket enthalten.
...und in Schwarz.
© Marcel Strobl
Der Kopfhörer ist nicht unangenehm zu tragen, komplett vergisst man allerdings nicht, dass man ihn trägt. Durch die großzügig bemessenen Ohrpolster hält sich das Schwitzen auch im Sommer in Grenzen. Die Polster seien laut Unternehmen zwar austauschbar, Nothing empfiehlt jedoch, dafür den Kundenservice zu nutzen. Eine Art Mechanismus, durch den man einfach einmal schnell die Ohrpolster austauschen kann, gibt es nicht.
Übersichtliche Bedienung
Die Bedienelemente sind alle am rechteckigen Modul auf der rechten Seite angebracht. Es gibt auf der Unterseite einen Slider, der die Kopfhörer ein- und ausschaltet. Auf der Rückseite befindet sich ein Roller, mit dem man die Lautstärker ändern und bei Druck auch die Musik pausieren/abspielen lassen kann. Und es gibt einen länglichen, herausstehenden Regler (Nothing nennt ihn „Paddle“), den man vor und zurückbewegen kann. Damit lässt sich der nächste bzw. vorherige Song auswählen bzw. bei längerem Halten vor- und zurückspulen. Auch Anrufe werden damit angenommen und abgelehnt. Außen am rechteckigen Modul befindet sich vorne oben noch ein Knopf, der für den „Channel Hop“ vorgesehen ist. Die unterschiedlichen Tasten lassen sich gut bedienen, durch die unterschiedlichen Formen ist es quasi unmöglich, sich zu verdrücken.
© Marcel Strobl
Auf Knopfdruck kann man damit zwischen verschiedenen Apps (etwa Spotify und Apple Music), aber auch zwischen verschiedenen Playlists wechseln. Diese müssen zuvor in der Nothing X App eingetragen werden. 25 Apps sollen damit funktionieren, darunter auch YouTube Music, PocketFM, Amazon Music, Audible und Soundcloud.
Der Knopf lässt sich auch mit anderen Funktionen ausstatten. Damit kann man etwa die Geräuschunterdrückung steuern, das räumliche Audio aktivieren, EQ-Presets auswählen oder den KI-Assistenten anfordern.
Räumliches Audio mit Kopftracking
Ist das räumliche Audio aktiviert, lässt sich die Musik nicht nur von rechts und links wahrnehmen, sondern scheint auch von vorn und hinten zu kommen. Ein Headtracking lässt sich zusätzlich aktivieren. Dieses erkennt, wenn man seinen Kopf dreht und passt die Soundquelle entsprechend an. Kommt der Gesang etwa von vorn und dreht den Kopf nach rechts, ist er hauptsächlich mit dem linken Ohr zu hören. Das funktioniert gut, ist allerdings Geschmackssache. Ist das räumliche Audio aktiviert, kann der Bassverstärker nicht zusätzlich eingeschaltet werden. Dieser funktioniert nur im normalen Modus und verstärkt – wie der Name schon sagt – in 5 Stufen den Bass.
Auch der EQ ist im räumlichen Modus sehr eingeschränkt, im normalen Modus kann man den Equalizer in 8 Bändern anpassen. Leider gibt es (noch) keine automatische EQ-Einstellung wie bei den „Nothing Ear“ In-Ear-Kopfhörern, wo man sich durch eine Reihe von Beispiel-Audioclips die sich am besten anhörenden Stücke auswählen kann und das Soundprofil entsprechend angepasst wird.
Klanglich nichts zu meckern
Klanglich lassen die Nothing Headphone 1 nichts zu wünschen übrig. Bereits die In-Ear-Kopfhörer von Nothing haben durchwegs gute Bewertungen erhalten – auch wenn Klangpräferenzen natürlich sehr subjektiv sind. Während diese Modelle allerdings durchwegs basslastig waren, scheinen die Headphone 1 ausgeglichener. Natürlich kann man den Bassverstärker nutzen, am liebsten verwende ich die Kopfhörer allerdings im Spacial Audio Modus ohne Anpassung an die Kopfbewegung. Mir ist dabei besonders die Klarheit des Gesangs und der Höhen wichtig – beides ist bei den Nothing Headphone 1 gegeben. Auffällig ist aber, wie laut sich die Kopfhörer aufdrehen lassen. Auf voller Lautstärke sind die Kopfhörer fast nicht auszuhalten, mit eingeschaltetem ANC reicht mit etwa ein Drittel auf den Lautstärkeschieber aus, um fast nichts mehr von meiner Umgebung mitzukriegen.
© Nothing
Die aktive Geräuschunterdrückung (ANC) ist mit bis zu -42 Dezibel zwar nicht die beste am Markt, im Flugzeug lieferte sie mir allerdings gute Dienste. Nothing nutzt hier insgesamt 6 Mikrofone an der Außenseite der Kopfhörer, um die Umgebungsgeräusche aufzunehmen und abzumildern. Auch das Rauschen im Transparenzmodus hält sich in Grenzen, wobei aber deutliche Windgeräusche zu hören sind, sobald ein Lüftchen weht. ANC ist zwar traditionell bei niederfrequenten, monotonen Tönen besser, doch auch ein schriller Feueralarm ist mit den Kopfhörern gut auszuhalten, wie sich während des Tests gezeigt hat. Ohne tut die Sirene ganz schön in den Ohren weh.
Langlebiger Akku
Der Akku soll mit ausgeschalteter ANC bis zu 80 Stunden halten, wenn man AAC als Codec nutzt. Mit dem höher auflösenden LDAC sind bis zu 54 Stunden möglich. Schaltet man ANC ein, verringert sich die Laufzeit auf 35 bzw. 30 Stunden. Nach 5 Stunden Dauerbetrieb mit LDAC Codec und eingeschaltem ANC habe ich 15 Prozent Akku verloren, die Schätzung scheint also realistisch. 5 Minuten laden sollen knapp 2,5 Stunden hinzufügen.
© Marcel Strobl
Die Nothing Headphone 1 kommen mit Bluetooth 5.3, Google Fast Pair und Micorosft Swift Pair und einem Low-latency-Mode für Gaming. Außerdem können sie mit 2 Bluetoothquellen verbunden werden. Sie sind IP-52 zertifiziert, also nur gegen Staub und Tropfwasser geschützt. Zudem unterstützen sie Androids „Mein Gerät finden“-Funktion, können also bei Verlust über das Android-Netzwerk geortet werden.
Fazit und Preis
„Design is always on top”, sagt Carl Pei bei der Vorstellung am 1. Juli in London. Man gehe jetzt als etabliertes Unternehmen mehr Risiken ein, was das betrifft. Das sieht man bei den Nothing Headphone 1. Das Gerät ist nicht nur ein Kopfhörer, sondern ein Statement.
Nothing steht drauf, und das sieht man von Weitem.
© Marcel Strobl
Daher versucht man sich aktiv gegen andere Statement-Kopfhörer zu positionieren, den Apple AirPods Max. Im Vergleich damit scheint auch der Preis nicht allzu sehr zu schmerzen. 299 Euro (UVP) verlangt Nothing für seine Kopfhörer – ein stolzer Preis für eine Marke, die bislang eher im Mittelfeld unterwegs war und mit einem guten Preis-Leistungsverhältnis zu punkten versuchte. Preislich liegen sie zwar deutlich unter den Apple-Kopfhörern (579 Euro UVP, knapp über 500 Euro auf Amazon), jedoch gleich auf bzw. sogar leicht über den Sony WH-1000XM5 (260 Euro auf Amazon). Auch die QuietComfort von Bose sind bereits um rund 300 Euro zu haben. Ohne zu wissen, wie potenzielle Käufer bei der offiziellen Präsentation um 19:30 Uhr MEZ reagieren werden, ist bereits vorzuahnen, dass dieser Preis für einige zu hoch angesetzt sein wird. Besonders in Indien, wo sich mittlerweile eine große Nothing-Community gebildet hat, schaut man aufs Börserl.
Auch wenn die Nothing Headphone klanglich anständige Kopfhörer sind, ist das ausschlaggebende Verkaufsargument doch das Design. Und dieses spaltet die Gemüter: Manche mögen es zu aufdringlich finden, für andere ist es genau das Richtige. Dass sich der UVP von 299 Euro lange halten wird, glaube ich allerdings nicht. Wer ein bisschen warten kann, kann sie sicher bei einer Aktion günstiger erwerben.
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