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Warum gibt es keine kleinen Smartphones mehr?

Woche für Woche erreichen die futurezone zahlreiche Anfragen von Lesern. Auch diese Woche gab es auf eine Zusammenfassung der derzeit besten Smartphones für unter 250 Euro viel Feedback. Ein Leser stellte jedoch die Größe der ausgewählten Geräte in Frage, die meist fünf Zoll oder mehr in der Diagonale messen. „Mein derzeit verwendetes Modell ist ein Motorola Droid Mini – ca. 12 cm lang – denn mir fehlt einfach etwas vernünftiges, Aktuelles in maximal dieser Größe, das alles gut kann, was mir wichtig ist“, schreibt der Leser – und selbst das fünf Jahre alte 4,3-Zoll-Smartphone sei ihm noch zu groß.

Doch warum gibt es keine modernen kompakten Smartphones mehr? Wie groß ist zu groß? Und was sollte man tun, wenn man dennoch nicht zu den aktuellen Modellen mit großem Bildschirm greifen möchte? Die futurezone versucht, die wichtigsten Fragen zum Thema kompakte Smartphones zu beantworten.

Wie stark sind die Smartphones in den vergangenen Jahren gewachsen?
Als das iPhone 2007 das Licht der Welt erblickte, war es mit seinem 3,5-Zoll-Bildschirm für damalige Verhältnisse bereits ein Riese. Damals lag der Durchschnitt noch bei zarten drei Zoll. Vor zwölf Jahren stand die Branche jedoch noch am Anfang, die Smartphone-Auswahl war eingeschränkt und klassische „Handys“ waren die Norm. Erst 2012, als Smartphones die Handys auch bei den Verkaufszahlen überholten, knackte man die 4-Zoll-Grenze. Danach beschleunigte sich das Bildschirmwachstum jedoch erheblich, bereits zwei Jahre später lag man bei durchschnittlich fünf Zoll.

Das Wachstum findet auch weiterhin kein Ende. 6,5-Zoll-Bildschirme sind mittlerweile in zahlreichen Top-Smartphones, unter anderem dem iPhone XS Max (zum futurezone-Test) und Huaweis Mate 20, zu finden. So manches Modell, beispielsweise das Honor Note 10, knackt sogar schon die 7-Zoll-Grenze. Laut IDC waren im dritten Quartal 2018 Smartphones zwischen sechs und sieben Zoll Bildschirmdiagonale am Beliebtesten. Die Nachfrage ist definitiv gegeben: Rund zwei Drittel (66,8 Prozent) aller im Vorjahr verkauften Smartphones hatten einen Bildschirm, der 5,5 Zoll oder mehr misst. Bis 2022 wird dieser Anteil laut IDC auf 87,7 Prozent ansteigen.

Warum werden Smartphones immer größer?
Die Gründe für das rasante Wachstum sind vielfältig. Sehr einfach ausgedrückt könnte man jedoch sagen: Die Hersteller bauen größere Smartphones, weil es möglich ist und diese nachgefragt werden. Denn obwohl viele Nutzer sich die „gute alte Zeit“ mit kompakten Smartphones zurückwünschen, scheint die Mehrheit dennoch große Bildschirme zu bevorzugen. Das Smartphone hat für viele nicht nur Kamera, MP3-Player und Handy ersetzt, sondern fungiert mittlerweile auch als PC, Spielkonsole, Fernseher und E-Reader. Wer gerne unterwegs auf Netflix einen Film anschauen oder mit Freunden Fortnite spielen möchte, profitiert von großen Bildschirmen. Darauf weist auch eine Untersuchung der US-Marktforscher NPD Group hin, wonach auf Smartphones mit größeren Bildschirmen auch mehr Mobildaten verbraucht werden.

Die anderen Gründe sind weniger überraschend: Große Smartphones lassen sich einfach besser verkaufen. Nach einem jahrelangen Wettrüsten unter den Herstellern ist es zunehmend schwieriger geworden, sich von der Konkurrenz abzugrenzen. Mit großen Modellen war das lange Zeit relativ einfach möglich. Samsung hat das mit der Note-Serie (seit 2011) relativ früh erkannt, Huawei (Mate, 2013), Sony (Ultra, 2013) und einige andere Hersteller haben sich kurz darauf auch daran versucht. Zugleich haben die großen Bildschirme auch den positiven Nebeneffekt, dass sich größere Akkus und zusätzliche Hardware-Komponenten, beispielsweise mehrere Kamera-Sensoren, problemlos verbauen lassen. Auch das Kühlen der Komponenten ist in einem größeren Gehäuse deutlich einfacher möglich.

Mehr Features bedeuten üblicherweise auch höhere Preise. Das überzeugte selbst Apple, das sich jahrelang gegen den Trend der wachsenden Smartphones wehrte und erst 2014 erstmals die 5-Zoll-Grenze überschritt (mit dem iPhone 6 Plus). Damit einher ging auch ein kräftiger Anstieg der durchschnittlichen Smartphone-Preise, nachdem sie jahrelang durch die zunehmende Konkurrenz gesunken waren. Aus der Perspektive der Hersteller nachvollziehbar. Der Markt ist gesättigt, die Innovationen nehmen ab, weswegen die Konsumenten immer seltener ihre Smartphones gegen ein neues Modell austauschen.

Wird das Wachstum irgendwann aufhören oder sich gar umkehren?
Umkehren voraussichtlich nicht, aber es gibt Grund zur Hoffnung. Denn obwohl die Bildschirmdiagonale zunimmt, werden die Smartphones selbst nicht zwingend weiterwachsen. Verantwortlich dafür sind Design-Trends wie rahmenlose und faltbare Smartphones. So sind Samsungs Galaxy-S-Modelle in den vergangenen sechs Jahren – gemessen an der Grundfläche – lediglich um fünf Prozent gewachsen, wohingegen die Bildschirmdiagonale um ein Zoll (knapp 2,54 Zentimeter) zugelegt hat. Huaweis Mate-Serie hat in den vergangenen fünf Jahren sogar um 12,8 Prozent abgenommen, während der Bildschirm von 6,1 auf 6,53 Zoll angewachsen ist. Während der Bildschirm beim Original-iPhone nur 52 Prozent der Front einnahm, sind es beim fast dreimal so großen iPhone XS Max bereits 84,4 Prozent. Einzelne Modelle erreichen sogar schon knapp 90 Prozent.

Faltbare Smartphones werden ebenfalls neue kompakte Bauweisen ermöglichen. Es ist unklar, welche Varianten Samsung und Huawei geplant haben, doch Gerüchten zufolge plant Motorola eine Neuauflage des legendären Klapphandys Razr als faltbares Smartphone. So wäre das Smartphone zumindest zusammengeklappt kompakt genug für die Hosentasche. Die bislang gezeigten Modelle, beispielsweise von Xiaomi und dem chinesischen Hersteller Royole, rauben einem aber eher die Hoffnung auf kompakte Maße. Denn diese sind in zusammengeklappter Form bereits so groß wie ein modernes Smartphone und lassen sich auf ein A5-ähnliches Format ausbreiten. Zudem dürften diese Gerüchten zufolge sehr kostspielig sein.

Welche kompakten Smartphones gibt es noch?
Sucht man nach einem modernen Smartphone mit einem Bildschirm, der kleiner als fünf Zoll ist, dürfte man rasch verzweifeln. Die Auswahl ist rar gesät und beschränkt sich vorwiegend auf den Einsteiger-Bereich. So bietet der französische Hersteller Wiko mit dem Sunny 3 (knapp 70 Euro) ein einfaches Smartphone an. Das misst fünf Zoll (Pixeldichte: 195 dpi), hat eine einfache 5-Megapixel-Kamera mit LED-Blitz, acht Gigabyte Arbeitsspeicher und einen microSD-Kartenslot. Trotz des Ressourcen-schonenden Android Go 8.0 wird man mit dem verbauten Quadcore-Prozessor (vier Cortex-A7-Kerne) und 512 Megabyte Arbeitsspeicher schnell an Grenzen stoßen. Für zehn Euro weniger bekommt man mit dem Sunny 3 Mini ein 4-Zoll-Modell, dessen Hauptkamera nur mit 2 Megapixel auflöst und eine etwas höhere Pixeldichte (233 dpi) hat.

Ähnlich ausgestattet ist das Alcatel 1 (ebenfalls Android Go), das dank eines MediaTek-SoC immerhin vier Cortex-A53-Kerne, ein Gigabyte Arbeitsspeicher sowie einen höher auflösenden 5-Zoll-Bildschirm (214 dpi) vorweisen kann. Dafür werden aber auch 80 Euro fällig. Ebenfalls aus China (Alcatel-Smartphones werden von TCL produziert) stammt Doogee, das mit dem X50 eine Budget-Alternative bieten will. Trotz des relativ günstigen Preises (60 Euro) setzt man auf eine Dual-Kamera (5/0,3 Megapixel, wobei die zweite Kamera für den Bokeh-Effekt bei Porträtfotos dient) sowie eine recht hochauflösende Selfie-Kamera (5 Megapixel). Die restliche Ausstattung des Android-Go-Smartphones setzt auf Einsteiger-Hardware.

Eine beliebte Option ist zudem das Nokia 1, das einen 4,5-Zoll-Bildschirm (217 dpi), einem MediaTek-Quadcore-SoC (A53) sowie einem Gigabyte Arbeitsspeicher im kompakten Gehäuse vorweisen kann. Als Betriebssystem kommt, wie bei so vielen Einsteiger-Modellen Android Go (8.1) zum Einsatz. Mit 99 Euro ist man etwas teuer als die vergleichbare Konkurrenz, ein überarbeiteter Nachfolger könnte auf dem diesjährigen Mobile World Congress Ende Februar folgen.

Über 100 Euro

In Frankreich scheint eine hohe Nachfrage für kompakte Smartphones zu bestehen: Der französische Hersteller Crosscall bietet mit dem Core X3 ein Outdoor-Smartphone mit 5-Zoll-Bildschirm (293 dpi) an, das vor Wasser, Staub (IP68) und Stößen (MIL STD 810G/IK02) geschützt sein soll. Zudem soll der 3500-mAh-Akku – der sich übrigens auch drahtlos laden lässt – mehrere Tage durchhalten. Mit einem Qualcomm Snapdragon 425 und zwei Gigabyte Arbeitsspeicher ist man bei der restlichen Ausstattung eher im unteren Mittelklasse-Segment einzuordnen, der relativ hohe Preis von 279 Euro ist wohl auf die Outdoor-Funktionen zurückzuführen.

Hierzulande ist der chinesische Hersteller TP-Link vorwiegend für Router und Modems bekannt, doch unter der Marke Neffos bietet man seit geraumer Zeit auch Smartphones an. Das Neffos C7A bietet eine ähnliche Hardware-Ausstattung wie das Core X3, ist jedoch mit 110 Euro deutlich günstiger. Das 5-Zoll-Smartphone verfügt über einen Quadcore-Prozessor, zwei Gigabyte Arbeitsspeicher, 16 Gigabyte an internem Speicher und eine 8-Megapixel-Kamera.

High-End-Bereich

Wer höhere Ansprüche hat, bekommt auf den ersten Blick mit dem BlackBerry Key2 LE auch eine interessante Alternative geboten. Die abgespeckte Variante des Key 2 (zum futurezone-Test) ist aber aufgrund der physischen Tastatur unter dem 4,5-Zoll-Display stolze 15 Zentimeter lang. Dennoch könnten Retro-Fans beim 429 Euro (UVP) teuren Smartphone auf ihre Kosten kommen.

Der Hersteller, der kompakten High-End-Smartphones am Längsten die Treue hielt, war Sony. Das fünf Zoll große XZ2 Compact (zum futurezone-Test) ist nach wie vor für knapp 500 Euro erhältlich und setzt auf einen Qualcomm Snapdragon 845, vier Gigabyte Arbeitsspeicher, 64 Gigabyte an internem Speicher sowie Android 9.0 und eine 19-Megapixel-Kamera. Für das im Vorjahr veröffentlichte XZ3 gab es kein Compact-Modell, ob es beim für Ende Februar erwarteten XZ4 einen kompakten Ableger geben wird, ist unklar.

Zu einem der beliebtesten Kompakt-Modelle, dem iPhone SE, sollten höchstens große Apple-Fans greifen. Denn obwohl Apple mittlerweile Ausdauer beweist und selbst das mehr als fünf Jahre alte iPhone 5S weiterhin mit Updates versorgt, hat das iPhone SE dennoch knapp drei Jahre auf dem Buckel und kann technisch mit aktuellen Modellen nur schwer mithalten. Vereinzelt lässt sich das Smartphone, obwohl es offiziell nicht mehr von Apple vertrieben wird, für rund 250 Euro im Handel finden. Gerüchte über einen möglichen Nachfolger gibt es bereits seit längerer Zeit, Apple scheint aber langfristig den Fokus auf das iPhone 7 (4,7 Zoll) als Einsteiger-Modell zu legen.

Die Zweit-Modelle

In den vergangenen Jahren versuchten auch zahlreiche Hersteller, die Idee des kompakten Zweit-Smartphones zu etablieren. Bereits 2013, als die ersten Smartphones die 5-Zoll-Grenze knackten, wurde das HTC Mini angekündigt. Der taiwanische Smartphone-Pionier entwickelte ein mit dem Smartphone gekoppeltes Zweit-Gerät, mit dem man auch telefonieren, SMS lesen und den Fernseher steuern kann. Eine ähnliche Idee hatte fünf Jahre später auch TCL, das sich die Markenrechte für Palm gesichert hatte. Das Unternehmen dürfte vielen Menschen wegen seiner gleichnamigen PDAs noch ein Begriff sein, in der Smartphone-Ära konnten sie bislang aber nicht mitmischen.

Das konnte auch das im Vorjahr präsentierte Palm-Smartphone nicht ändern. Das 3,3-Zoll-Gerät war zum Verkaufsstart ausschließlich beim US-Mobilfunker Verizon erhältlich und wurde als Zweit-Smartphone vermarktet. Für zehn US-Dollar pro Monat wurden alle Anrufe, Nachrichten und Kontakte auf das Palm-Smartphone weitergeleitet, sodass man das teure iPhone zuhause lassen konnte. Trotz prominenter Unterstützung – Warriors-Basketballer Stephen Curry warb für das Palm-Smartphone – fiel das Smartphone bei Testern durch. Die Hoffnung der Hersteller, dass man Nutzern künftig zwei statt einem Smartphone auf einmal verkaufen kann, dürfte damit vorerst vorbei sein.

Sorgt das Smartphone-Wachstum für Probleme?
Das Wachstum der Smartphone-Bildschirme dürfte vor allem Entwickler beschäftigen, die sich nun mit einer Vielzahl an Formaten herumschlagen müssen. Vorbei sind die Zeiten, als man nur für Geräte mit 3:2- (iOS) und 16:9-Bildverhältnis (Android) entwickeln musste. Um sich an die wachsende Bildschirmfläche anzupassen, werden die Geräte zunehmend schmaler und länger. Stattdessen scheinen sich neben Ausreißern wie 1:1 und 3:5 (BlackBerry) nun vor allem die Formate 2:1 und 18,5:9 als Standard zu etablieren, wodurch viele Apps neu entwickelt werden müssen. Auch die Vielzahl an Variationen des „Notch“, der mal als Tropfen, Punkt oder fetter Balken platziert wird, sorgt bei so manchen App-Entwicklern für Kopfzerbrechen.

Doch ein deutlich schwerwiegenderes Problem betrifft die Umwelt: Die größeren Smartphones sorgen aufgrund des höheren Ressourcenbedarfs bei der Herstellung auch für einen größeren ökologischen Fußabdruck. Einer Studie zufolge verursacht das iPhone 6s 57 Prozent mehr CO2 als das deutlich kleinere iPhone 4s. Laut Apple bessert sich die Situation zwar, ob das für alle Hersteller gilt, darf jedoch bezweifelt werden.

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Michael Leitner

derfleck

Liebt Technik, die Möglichkeiten für mehr bietet - von Android bis zur Z-Achse des 3D-Druckers. Begeistert sich aber auch für Windows Phone, iOS, BlackBerry und Co. Immer auf der Suche nach "the next big thing". Lieblingsthemen: 3D-Druck, Programmieren, Smartphones, Tablets, Open Hardware, Videospiele

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