Nordkorea baut sein erstes Atom-U-Boot
Nordkorea hat begonnen, ein neues U-Boot zu bauen. Dies berichtet der südkoreanische Geheimdienst. Die Vermutung liegt nahe, dass es einen Atomantrieb haben wird.
Ein nicht näher genannter Vertreter des südkoreanischen Militärs hat gegenüber der Yonhap News Agency gesagt, dass das U-Boot im Nordosten von Sinpo gebaut wird. Dabei dürfte es sich um die Pongdae U-Boot-Werft handeln.
Erste Informationen würden darauf hindeuten, dass es Nordkoreas bisher größtes U-Boot sein wird. Auch das spricht dafür, dass ein Atomantrieb zum Einsatz kommen könnte. Genauere Informationen zum Antrieb, der Größe und der Verdrängung könne man erst geben, wenn der Bau voranschreitet.
Nordkorea träumt seit Jahren von einem Atom-U-Boot
Öffentlich sichtbare Beweise für den Atomantrieb gibt es jedenfalls noch nicht. Der Machthaber Kim Jong-un sagte im Jänner 2021, dass die Fertigstellung eines Designs für ein atomares U-Boot in der finalen Phase wäre. Nur liegt zwischen designen und tatsächlich bauen ein großer Unterschied.
Im September 2023 wurde wieder erwähnt, dass sich ein Atom-U-Boot in Bau befindet. Dies geschah im Rahmen der Enthüllungs-Zeremonie für das bislang neueste nordkoreanische U-Boot, die Hero Kim Kun Ok. Weil es sich dabei um ein stark umgebautes sowjetisches U-Boot aus den 50er-Jahren handelt, wird es von Rüstungsexperten als „Frankenstein-U-Boot“ bezeichnet. Es hat einen konventionellen Diesel-Elektro-Antrieb, kann aber mit Atomraketen bestückt werden.
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Im Jänner 2024 kam der nächste Hinweis. Bei einem der üblichen „Kim Jong-un zeigt auf Dinge“-Fotos stand in der Textbeschreibung, dass der Machthaber ein U-Boot mit Atomantrieb inspiziert hätte, das sich gerade im Bau befindet.
Damals wurde Sinpo als Bauort identifiziert, berichtet twz. Zudem gab es Informationen, wonach Kim Jong-un ein ausführliches Briefing zum Baufortschritt erhalten habe und über Probleme dabei unterrichtet wurde.
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Nordkorea hat Uran, aber woher kommt der Reaktor?
Und diese Probleme könnten groß sein. Ein funktionales Atom-U-Boot zu bauen, ist ein kompliziertes Unterfangen. Den ersten Schritt hat Nordkorea zumindest schon getan, indem es Uran anreichert.
Dieses dient nicht nur für Kernwaffen, sondern auch als Kernbrennstoff in Schiffsreaktoren. Erst kürzlich hat die nordkoreanische Regierung ein Foto veröffentlicht, dass Kim Jong-un in einer Uran-Anreicherungsanlage zeigt.
Woher Nordkorea das Wissen, die Werkzeuge und die Technologie hat, um tatsächlich einen Atomreaktor in U-Boot-Größe zu bauen, ist aber fraglich. Besonders, wenn man sich die Hero Kim Kun Ok ansieht.
Anstatt ein Marschflugkörper-taugliches U-Boot selbst zu bauen, wurde am Turm des alten Sowjet-U-Boots ein Raketenabschuss-Behälter drangestückelt. Wenn das der Benchmark für Nordkoreas Baukünste ist, scheint ein funktionales atombetriebenes U-Boot eher unwahrscheinlich – aber nicht unmöglich.
Es ist daher anzunehmen, dass Nordkorea Hilfe bekommt. Möglicherweise wurde ein Deal mit Russland vereinbart. Dieses könnte Baupläne, Know-how und Werkzeuge für den Bau eines Atomantriebs zur Verfügung stellen, in Austausch gegen angereichertes Uran oder etwa Munition, die Russland im Kampf gegen die Ukraine einsetzt.
Nuklearer Hybridantrieb aus China
Hilfe könnte auch von China kommen. China hatte bisher keine Skrupel, Sanktionen gegen Nordkorea und Russland zu umgehen, und hätte sie wohl auch in diesem Fall nicht. Womöglich könnte Nordkorea kein klassisches Atom-U-Boot bauen, sondern eines mit nuklearem Hybridantrieb. Diesen soll China angeblich in der gesunkenen Typ 041 verbaut haben.
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Der Vorteil eines Mini-Reaktors wäre eine schnellere Konstruktion, und dass womöglich bestehende dieselelektrische Antriebe damit aufgerüstet werden können. Beides würde Nordkorea sehr entgegenkommen.
Gegen diese Theorie spricht, dass der Hybridantrieb auch für China neu ist. Warum sollte man diese neue Technologie gleich an ein anderes Land weitergeben? Eine mögliche Erklärung wäre, dass man Nordkorea als Beta-Tester nutzen will.
Eine gestreckte Romeo-Klasse
Für den Mini-Reaktor spricht auch, dass Nordkorea womöglich nicht selbst U-Boote bauen kann, die groß genug für so einen Antrieb wären. Das größte Eigenbau-U-Boot ist die Sang-O-2-Klasse, mit 39 Metern Länge.
Die sowjetische Romeo-Klasse, auf der das Frankenstein-U-Boot basiert, ist hingegen 76,6 Meter lang. Spielt man den Gedanken weiter, würde Nordkorea eines seiner geschätzt 20 Romeo-U-Boote (bzw. Typ 033, weil sie von China beschafft wurden), mit dem Atomantrieb nachrüsten.
Allerdings soll laut Südkorea das U-Boot größer sein. Das schließt die Theorie noch nicht aus. Ähnlich wie die Hero Kim Kun Ok ihren Raketenbuckel bekommen hat, könnte eine Romeo-Klasse gestreckt werden, um Platz für den neuen Hybridantrieb zu schaffen. Dazu wird eine Sektion des Rumpfs abgeschnitten, neue Stahlelemente eingesetzt und dann der abgeschnittene Teil wieder angeschweißt.
Diese Technik ist zeitaufwändig, aber machbar. So wurde etwa die 1973 in Dienst gestellte USS Parche der US Navy gestreckt. Zwischen 1987 und 1991 wurde sie um 30 Meter verlängert. Statt 92 Meter war das U-Boot dann 122 Meter lang.
Nukleare Patrouillen für den Zweitschlag
Nicht klar ist momentan, ob das neue U-Boot ebenfalls Marschflugkörper und ballistische Raketen starten soll, oder ein atomares Jagd-U-Boot werden könnte. Nordkoreas bisherige Strategie spricht für das Raketen-Upgrade. Bei der Zeremonie zur Hero Kim Kun Ok sagte Kim Jong-un, dass man mehrere existierende U-Boote zu Trägern für Atomraketen umbauen werde, als Teil einer „günstigen Ultra-Modernisierungsstrategie“.
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Nach der Hero Kim Kun Ok wäre das neue U-Boot erste das zweite nordkoreanische U-Boot, das mit Atomwaffen bestückt wäre. Durch den Atomantrieb könnte es deutlich länger getaucht bleiben, was für sogenannte nukleare Patrouillen wichtig ist. Dabei sind Atom-U-Boote möglichst lange getaucht unterwegs, um unbemerkt zu bleiben. Erfolgt der Angriffsbefehl, können sie Atomraketen auf das Ziel abfeuern und so den Feind überraschen.
Nordkorea spricht hierbei von einer Zweitschlag-Fähigkeit. Offiziell will man also solche U-Boote nicht für den ersten Angriff nutzen, sondern um Südkorea „zu bestrafen“, sollte dieses Nordkorea angreifen. Mit Atomwaffen bestückte U-Boote sind somit auch Teil der Abschreckungsstrategie.
Damit das aber funktioniert, müssen die U-Boote eben unerkannt bleiben. Experten zweifeln daran, dass die Hero Kim Kun Ok im Einsatz unentdeckt bleiben wird. Aufgrund der alten Technik, Bauform und des zusätzlichen Anbaus, soll diese recht laut bei der Tauchfahrt und dadurch einfach mit dem Sonar aufspürbar sein. Ein moderner Atomantrieb ist zwar nicht lautlos, aber zumindest leiser. Ein atomarer Hybridantrieb mit Mini-Reaktor könnte noch leiser sein.