
Die verspiegelte Bandstadt The Line ist das Aushängeprojekt von NEOM
Mega-Projekt NEOM wird zu finanziellem Desaster
Im Oktober 2024 wurde der erste Teil des saudischen Mega-Projekts NEOM feierlich eröffnet: die Luxus-Urlaubsinsel Sindalah. Verglichen mit den anderen Teilen von NEOM, wie ein schwimmendes Geschäftsviertel, ein Skigebiet und mehrere Städte, darunter die 170 km lange Bandstadt The Line, ist sie vergleichsweise einfach.
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Dennoch wurde sie erst mit 3 Jahren Verspätung fertig. Die Baukosten von 4 Milliarden US-Dollar haben das Budget um das Dreifache überschritten, berichtet das Wall Street Journal. Zum Zeitpunkt der Eröffnung waren die Hotels noch nicht fertig. Der Fährbetrieb wird durch starken Wind eingeschränkt und die Nutzung des 18-Loch-Golfplatz ist deshalb nicht möglich.
Das Mastermind hinter NEOM, Mohammed bin Salman, Kronprinz und Premierminister von Saudi-Arabien, dürfte mit der Situation gar nicht happy sein. Bei der Eröffnungsfeier von Sindalah, die laut Unterlagen mindestens 45 Millionen US-Dollar gekostet hat, war er abwesend. Viele NEOM-Mitarbeiter werten das als ein Zeichen für seine Unzufriedenheit mit dem Projekt. Einige Wochen später hat Nadhmi al-Nasr, der 6 Jahre lang NEOM geleitet hat, den Chefsessel geräumt.
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Gewaltige Kosten
Wie das Wall Street Journal berichtet, ist Sindalah nur die Spitze des Eisbergs. Laut einer Präsentation für den Vorstand von NEOM, droht ein finanzielles Desaster. Bis NEOM seine finale Ausbaustufe erreicht hat, würde es voraussichtlich bis 2080 dauern. Die Gesamtkosten: 8,8 Billionen US-Dollar. Alleine für die erste Ausbauphase, die bis 2035 erreicht werden sollte, seien 370 Milliarden US-Dollar nötig.
Eine Sprecherin von NEOM hat gegenüber Wall Street Journal gesagt, dass diese Zahlen „falsch interpretiert“ seien, hat aber keine anderen Zahlen genannt. Bisher hat Saudi-Arabien mehr als 50 Milliarden US-Dollar in NEOM gesteckt.
Laut einem 100-seitigen-Bericht, der an den NEOM-Vorstand gerichtet war und dem Wall Street Journal vorliegt, wurden unrealistische, geschönte Annahmen getroffen, um die steigenden Kosten von NEOM zu rechtfertigen. Außerdem sollen Beweise für manipulierte Finanzzahlen durch einige Manager gefunden worden sein. Frühere NEOM-Mitarbeiter sagten zudem, dass hochrangige Manager von NEOM den Kronprinzen nicht über die wahren Risiken und Kosten des Projekts informiert hätten.
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Die Beraterfirma McKinsey & Co, die seit Jahren NEOM betreut, will damit jedenfalls nichts zu tun haben. Jegliche Behauptung, das Unternehmen sei involviert in das Manipulieren der Finanzen, sei falsch. McKinsey bekommt für seine Arbeit über 130 Millionen US-Dollar von NEOM bezahlt.
Höhere Preise und Sparmaßnahmen
Um die steigenden Kosten bei den NEOM-Projekten zu kompensieren, werden verschiedene Maßnahmen getroffen. Beim Skiressort Trojena sollen etwa die Hotelpreise angepasst werden. Statt wie geplant 216 US-Dollar pro Nacht, müsse man, wenn Trojena nutzbar sein wird, 704 US-Dollar zahlen. Beim teureren Boutique Hotel sind es sogar 1.866 US-Dollar, statt der zuvor kalkulierten 489 US-Dollar.
Mehrfach wurde darauf gedrängt, die Bauhöhe von The Line von 500 Meter auf 300 Meter zu senken, um Kosten zu sparen. Dies wurde aber vom Kronprinzen abgelehnt. Man solle andere Wege finden, um Kosten zu sparen. Eine Zuglinie, für die ein 29 km langer Tunnel durch einen Berg gegraben werden sollte, wurde vorerst auf Eis gelegt. Das erste Teilstück von The Line wird nicht 15 km, sondern nur 2,5 km lang sein, wenn es 2034 eröffnet wird – zeitgleich mit einem Fußball-Stadion für die WM.
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Sindalah ist übrigens immer noch eine Baustelle. Laut Personen, die dort gearbeitet haben, sind 4 Monate nach der Eröffnungsparty die Hotels und der Golfplatz immer noch nicht für die Öffentlichkeit nutzbar. Die Angestellten der bereits eröffneten Restaurants auf der Insel würden Bücher lesen, um sich die Zeit zu vertreiben, weil sie keine Gäste haben.
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