Unterseekabel werden mit speziellen Schiffen verlegt und in den Meeresboden eingegraben

Unterseekabel werden mit speziellen Schiffen verlegt und in den Meeresboden eingegraben

© REUTERS / Lefteris Karagiannopoulos

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Gigantische Kabel: Wie weit man Strom sinnvollerweise transportieren kann

In den vergangenen Tagen wurde bekannt, dass Australien künftig Singapur mit Ökostrom versorgen will. Im trockenen Outback soll ein gigantisches Solarkraftwerk entstehen. Der dort erzeugte Strom soll an die australische Nordküste und von dort durch ein 4.300 Kilometer langes Kabel bis nach Singapur gebracht werden. Es wäre die bisher längste Unterwasser-Stromleitung der Welt.

Der Australia-Asia Power Link, wie das Projekt genannt wird, wirft die Frage auf, über welche Distanzen Strom künftig per Kabel transportiert werden könnte. Angesichts der Energiewende würde dies die Möglichkeit eröffnen, große Mengen Solar- oder Windstrom an günstigen Standorten zu produzieren und sie an weit entfernte Verbraucher zu verkaufen.

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Gleichstrom statt Wechselstrom

Mit zunehmender Distanz steigen bei der Stromübertragung die Verluste. Man kann sie reduzieren, indem man hohe Spannungen verwendet. Hochspannungsleitungen, wie man sie aus Österreich kennt, arbeiten mit Wechselstrom. Für Punkt-zu-Punkt-Verbindungen über Strecken von mehreren hundert Kilometern wird Gleichspannung eingesetzt. Bei der so genannten Hochspannungs-Gleichstrom-Übertragung (HGÜ) kann die Spannung 500 Kilovolt und mehr betragen.

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Überregionaler Ausgleich von Energiepotenzialen

Mit speziellen Kabeln, die oberirdisch, unterirdisch oder am Meeresgrund verlegt werden können, werden Erzeugungs- und Verbraucherpotenziale von weit entfernten Orten miteinander verbunden. Im Zuge der Energiewende ergeben sich so vielfältige Möglichkeiten, erklärt Leitungsspezialist Klemens Reich vom heimischen Übertragungsnetzbetreiber Austrian Power Grid: "Man kann zum Beispiel in den Niederlanden erzeugte Windkraft in norwegische Pumpspeicherkraftwerke leiten."

Durch weit reichenden Stromtransport kann man auch die regionale schwankende Produktion von erneuerbaren Energieformen ausgleichen. "Mal weht der Wind in der Nordsee stärker, mal in Sizilien. Wenn man das kombiniert, hat man eine kontinuierliche Versorgung."

Verluste im 2-stelligen Prozentbereich

Verluste gibt es allerdings auch bei HGÜ-Kabeln. Bei einer Distanz von 700 Kilometern liegen sie etwa bei 5 bis 6 Prozent, sagt Bernd Klöckl von der TU Wien, der am Projekt Nordlink zwischen Skandinavien und Deutschland mitgearbeitet hat. Bei dem Projekt zwischen Australien und Singapur geht er mit heutiger Technik von 20 Prozent Verlust oder mehr aus. Andere Experten schätzen die Verluste eher auf einen niedrigen zweistelligen Prozentsatz. "Es kann sein, dass man das wirtschaftlich in Kauf nehmen kann", sagt Klöckl.

Mit zunehmender Länge steige das Risiko von Beschädigungen. Auch wenn Kabel in den Meeresgrund eingegraben werden, können sie durch Erdbeben oder Schiffsanker durchtrennt werden. Reparaturen seien sehr aufwändig und kostspielig.

Ein Schwachpunkt bei Unterseekabeln seien Muffen, also Verbindungsstellen zwischen den Kabelabschnitten, sagt Reich. Unterseekabel können sehr lange Abschnitte aufweisen, weil die Kabeltrommeln an Bord von Schiffen gigantisch sein können, aber bei hunderten oder tausenden Kilometern Kabelgesamtlänge sind es doch einige Muffen.

Laut Statistik viele Ausfälle zu erwarten

Laut Verfügbarkeitsstatistik müsse man nach heutigem Stand mit 0,1 Fehlerfällen pro 100 Systemkilometer pro Jahr rechnen, sagt Stefan Mirschel vom niederländischen Höchstspannungsnetzbetreiber Tennet. Wenn man außerdem mit einer Reparaturzeit von rund 60 Tagen pro Schaden an Unterseekabeln rechne, dann reduziere sich die Verfügbarkeit entsprechend. "Man muss sich anschauen, welche Herausforderungen solche langen Verbindungen mit sich bringen und wie man sie folglich sinnvoll umsetzen kann." Laut Mirschel könnte man im australischen Fall andenken, Indonesien in das Projekt mit einzubinden und zwei Kabelabschnitte mit einer Zwischenstation zu bilden.

Kostenloser Rohstoff macht Verluste nebensächlich

Herwig Renner vom Institut für Elektrische Netze der TU Graz hält gerade den Transport von Solarenergie für sinnvoll. "In Solarstrom investiert man einmal, aber dann erhält man ihn gratis. Fragen wie der Wirkungsgrad und Verluste werden damit nebensächlicher." 

Nordaustralien sei ein optimaler Standort für Photovoltaikanlagen, außerdem seien Singapur und Australien politisch stabile Länder. Dass das ein ausschlaggebender Faktor sein kann, zeigt sich an der schon lange gehegten, aber nie verwirklichten Idee, Solarstrom aus der Sahara im großen Stil nach Europa zu bringen.

Kabelverbindungen nehmen weltweit zu

Europa sei derzeit der Kernmarkt für Unterseestromkabel, sagt Klöckl. Verbindungen über lange Distanzen gebe es aber auch an vielen anderen Orten auf der Welt, etwa zwischen den Inseln Japans oder Neuseelands. In Brasilien gibt es lange oberirdische HGÜ-Landverbindungen zwischen Wasserkraftwerken und großen Städten im Südosten. 

Auch in China sind derartige Achsen quer durchs Land in Betrieb. Marokko könnte künftig Solarstrom per Unterseekabel nach Großbritannien liefern, quasi an Kontinentaleuropa vorbei.

"Diese Verbindungen nehmen zu", sagt Reich. Viele Projekte werden aber jahrelang vorangetrieben und dann plötzlich wieder eingestellt. Ob aus dem Australia-Asia Power Link etwas wird, wird man also erst sehen.

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David Kotrba

Ich beschäftige mich großteils mit den Themen Mobilität, Klimawandel, Energie, Raumfahrt und Astronomie. Hie und da geht es aber auch in eine ganz andere Richtung.

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