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Huawei MatePad Paper im Test: Kann das Papier-Tablet überzeugen?

Obwohl das Papier-Tablet einiges an Potenzial hat, gibt es mehrere unüberbrückbare Schwachstellen.  

Neben Laptops, neuen Smartphones und den FreeBuds Pro 2 hat Huawei auf einem Event in Istanbul ein ganz besonderes Tablet vorgestellt: Das MatePad Paper. Es zeichnet sich durch einen E-Ink-Display aus, das ein papierähnliches Schreiben, Zeichnen und Lesen verspricht. Gleichzeitig läuft das Tablet unter HarmonyOS und ermöglicht dadurch die üblichen Android-Funktionen.

Eines vorweg: Diese Versprechen des "Papier Feel & Touch" können weitgehend gehalten werden. Es hakt allerdings gleich an mehreren Stellen, wodurch das Potenzial des MatePad Paper deutlich geschmälert wird. Ich habe ein paar Tage mit dem MatePad Paper verbracht und das Gerät unter die Lupe genommen.

Pro & Contra

Pro

  • Perfekt für handschriftliche Notizen
  • Gut als E-Reader geeignet
  • Einige praktische Funktionen
  • Niedriges Gewicht
  • Hohe Verarbeitungsqualität

Contra

  • Schwächen bei Touch-Eingaben
  • Android (HarmonyOS) und E-Ink passen nicht zusammen
  • Zeichnen-Tool ist ziemlich beschränkt
  • Nur wenig Auswahl an optimierten Apps
  • Nicht optimierte Apps unbrauchbar
  • Hoher Preis

Superleicht und handlich

Auf den ersten Blick ist das ungewöhnliche Huawei-Tablet ein spannendes Gerät: Es wiegt nur 360 Gramm und kann daher auch längere Zeit mit nur einer Hand gehalten werden - beispielsweise um ein Buch zu lesen.

Das Tablet hat 2 brauchbare Lautsprecher integriert, wodurch man beim Lesen gleichzeitig Musikhören kann. Einen 3,5mm-Klinkenanschluss gibt es nicht, Kopfhörer können per Bluetooth verbunden werden. Eine Kamera hat das MatePad Paper übrigens auch nicht.

Technische Spezifikationen

Huawei MatePad Paper

  • Maße und Gewicht: 225,2 x 182,7 x 6,65 Millimeter; 360 Gramm
  • Display: 10,3 Zoll E-Ink, 1.872 x 1.404 Pixel, 227 ppi
  • Prozessor: Huawei Kirin 820E
  • Speicher: 4/64 GB
  • Akku: 3.625 mAh
  • Software: HarmonyOS 2.1 (auf Android-Basis)
  • Sonstiges: Fingerprintsensor im Power-Button, Wi-Fi 802.11 a/b/g/n/ac/ax(6), Bluetooth 5.2, keine Kamera, kein Kopfhöreranschluss, kein microSD-Karten-Einschub, 2 Lautsprecher, 4 Mikrofone, M-Pencil (2nd Gen.)
  • Preis: 499 Euro (nur über Deutschland erhältlich)

Huawei MatePad Paper

Bildschirm gut, Lieferumfang reichlich

Der E-Ink-Bildschirm weist eine recht hohe Qualität und einen ausreichenden Kontrast auf, sodass man an einem sonnigen Tag im Freien einwandfrei lesen kann. Der Akku hält zwar länger durch, als bei gewöhnlichen Tablets, kann aber mit einem klassischen E-Reader nicht mithalten.

Im Lieferumfang ist der Eingabestift M-Pencil (2nd Gen.) enthalten, der sich perfekt für handschriftliche Notizen, zum Skizzen zeichnen aber auch für die gewöhnliche Bedienung des Tablets eignet. Außerdem befindet sich das passende "Folio Cover" in der Box. 

Schreiben wie auf Papier

Die leicht aufgeraute Oberfläche des Displays erzeugt beim Schreiben oder Zeichnen einen leichten Widerstand, wodurch in der Folge ein ganz leises Geräusch zu vernehmen ist. Durch diese Kombination kommt das MatePad Paper dem Schreiben auf gewöhnlichem Papier tatsächlich ziemlich nahe.

Der Stift wird per Magnet am Rahmen des Tablets befestigt, wo er auch aufgeladen wird. Nimmt man den M-Pencil in die Hand, wird die Bluetooth-Verbindung zum Tablet praktisch ohne Verzögerung hergestellt.

Huawei MatePad Paper

Hardware erstklassig, Software mit Aufholbedarf

Eines zeigt das Huawei MatePad Paper auf jeden Fall: Die Hardware-Abteilung von Huawei liefert immer noch erstklassige Geräte, die eine hohe Verarbeitungsqualität aufweisen und wenig Spielraum für Kritik bieten.

Software-seitig sieht dies anders aus. Auch wenn sich Huawei redlich darum bemüht, mit seinem HarmonyOS eine ansprechende Usability zu bieten, tut sich das Betriebssystem schwer, gegen ein gewöhnliches Android zu bestehen.

Das Problem mit Android auf E-Ink-Displays

Aber zunächst noch zu einem anderen, ganz grundsätzlichen Schwachpunkt: Wer einen E-Reader verwendet, wird 99 Prozent der Zeit auf dem Gerät mit Lesen verbringen. Bei Android oder HarmonyOS sieht dies etwas anders aus. Diese Betriebssysteme sind für Touch-Eingaben optimiert. E-Ink-Displays sind aber ganz und gar nicht auf Interaktionen ausgelegt.

Nach jeder Eingabe dauert es nämlich jedes Mal ein paar Augenblicke, bis sich der E-Ink-Bildschirm refresht und wieder neu aufbaut. Außerdem hat das Display - je nach Nutzung - mit den üblichen Ghosting-Effekten zu kämpfen.

Huawei MatePad Paper

Verzögerungen bei der Eingabe

Scrollt man auf dem MatePad Paper also ein bisschen herum, wird man schnell feststellen, dass die Usability alles andere als optimal ist. Dasselbe gilt für Text-Eingaben über die Tastatur, weil die Buchstaben auf dem Bildschirm mit Verzögerung erscheinen. Längere Texte wird man mit der Tastatur ohnehin nicht schreiben, aber schon die PIN- oder Passwort-Eingabe erweist sich als relativ schwierig.

Hat man Android vor sich auf dem Bildschirm, ist man es gewohnt, dass der Touchscreen unverzüglich auf die Eingaben reagiert. Die zeitverzögerte Reaktion auf dem E-Ink-Display ist nicht nur ungewohnt, sondern einfach nicht wirklich brauchbar. Das wird man spätestens bei der bekannten Android-Gestensteuerung feststellen, die so manches Mal zur Herausforderung und Geduldsprobe gleichzeitig wird.

Huawei MatePad Paper

Die Software und ihre Schwachpunkte

Auf dem MatePad Paper läuft das Huawei-Betriebssystem HarmonyOS, das auf Android aufbaut. Es ist eine für das E-Ink-Tablet adaptierte Version, die über einen entsprechenden Homescreen verfügt. Offiziell verfügbar sind nur jene Apps, die Huawei für den E-Ink-Screen angepasst hat.

Im Mittelpunkt stehen dabei der Kalender, die Notiz-App, die Mail-Inbox sowie die E-Book-App. Ebenso angepasst für das E-Ink sind die Browser-App, Files, Cloud, der Huawei App-Store, Recorder, der Taschenrechner sowie die Textverarbeitungs-App WPS Office.

Über die App Gallery können alle verfügbaren Apps heruntergeladen werden. Viele Anwendungen müssen allerdings über die AppStores oder Webseiten von Drittanbietern installiert werden, was die bekannten Fragen in Sachen Sicherheit und Updates aufwirft.

Huawei MatePad Paper

Farbige Apps in Grau interpretiert

Fraglich ist auch die Darstellung der Apps. Denn die allermeisten Anwendungen sind für Farbdisplays sowie 60 Hz und mehr ausgelegt. E-Ink-Display weisen allerdings nur einen Bruchteil dieser Refresh-Rate auf und können lediglich Graustufen darstellen - beim MatePad Paper sind dies 256 Graustufen, Angaben zur Refresh-Rate liegen nicht vor.

Websites im Browser und nicht optimierte Apps müssen also farblich im Grau-in-Grau-Schema interpretiert werden. Dabei wird man schnell feststellen, dass diese Interpretation oft nicht mit dem geschulten Smartphone-Auge zusammenpasst - vor allem was Signalfarben von Schaltflächen und ähnlichem betrifft. 

Addiert man das Ghosting und die Darstellungsverzögerungen hinzu, kann man sich gut vorstellen, dass die Usability zum Teil etwas jenseitig ist.

Huawei MatePad Paper

Zeichnen, Schreiben und Skizzieren

Was mit dem MatePad Paper wirklich gut funktioniert, sind handschriftliche Notizen, das Skizzieren mit dem M-Pencil sowie das Annotieren von Texten. Mit dem minimalen Widerstand auf der leicht aufgerauten Oberfläche lässt es sich jedenfalls deutlich besser schreiben und skizzieren, als auf einer Hochglanzoberfläche eines herkömmlichen Tablets.

Jetzt kommt allerdings schon wieder ein Schwachpunkt, denn die Zeichnen-Funktionen in der vorinstallierten Note-App sind ziemlich beschränkt: Es gibt lediglich 4 verfügbare Stifte, Pinsel beziehungsweise Marker; Tools wie Lineale, Füllwerkzeuge oder Raster sind praktisch nicht vorhanden.

Alternative Sketch-Apps unbrauchbar

Ein Ausweichen auf eine andere Zeichnen-Anwendung ist nur begrenzt möglich. Denn die hauseigene Huawei-Note-App ist die einzige App, bei der die Stifteingabe in Echtzeit vom Display übernommen und angezeigt wird.

Bei allen anderen Sketch- und Draw-Anwendungen erscheint die Stifteingabe zeitverzögert auf dem Screen, was sie praktisch unbrauchbar macht. Außerdem sind all diese Apps für herkömmliche Farbbildschirme ausgelegt, was auf einem grauen E-Ink-Display nur halb so viel Spaß macht.  

Huawei MatePad Paper

E-Reader und praktische Features

Was auf dem Papier-Tablet von Huawei gut läuft, ist die Reader-App. Dem Huawei-Bookstore mangelt es zwar an einer umfangreichen Auswahl, dafür lassen sich bereits gekaufte E-Books einwandfrei importieren. Kindle-User*innen können die Kindle-App über einen Drittanbieter-App-Store installieren.

Wie gut die automatische Übersetzung von Handschrift in maschinengeschriebenen Text funktioniert, hängt natürlich davon ab, wie schön - sprich leserlich - die Handschrift ausfällt. Bemüht man sich dahingehend ein klein wenig, ist das "Handwriting to Text"-Feature ein brauchbares Tool.

Ähnlich zweckmäßig ist auch der Split-Screen-Modus: Auf einer Bildschirmhälfte lesen und gleichzeitig auf der anderen Hälfte seine Notizen machen, ist ein praktischer Use-Case.  Gut umgesetzt ist auch die Funktion für Audio-Aufzeichnungen. So kann man sich beispielsweise während der Aufnahme gleichzeitig Notizen machen und Marker setzen.

Huawei MatePad Paper

Fazit

Das Huawei MatePad Paper ist ein spannendes und interessantes Gerät, daran gibt es keinen Zweifel. Allerdings scheitert das Konzept an unüberbrückbaren Differenzen zwischen E-Ink, Touchscreen, Android und Eingabestift. Also stellt sich die Frage, für wen das Papier-Tablet denn überhaupt in Frage kommt.

Wer Bücher lesen will, kauft sich ein Buch oder einen E-Reader. Wer ein Tablet für die üblichen Anwendungsfälle will, kauft sich ein herkömmliches Tablet. Und wer die Eingabe per Stift zu schätzen weiß, sich möglicherweise viele handschriftliche Notizen macht oder überhaupt die Zeichnen-Funktion auf Tablets (semi-)professionell nutzt, wird mit den Beschränkungen des E-Ink-Displays ebenso wenig Freude haben.

Insofern wird das Huawei MatePad Paper in eine ziemlich kleine Nische gedrängt, die durch den recht hohen Preis von 499 Euro noch zusätzlich verkleinert wird. Das ist schade, weil ein solches Gerät grundsätzlich einiges an Potenzial hätte. Bleibt zu hoffen, dass es eine Neuauflage des Papier-Tablets gibt, bei dem die beschriebenen Schwachpunkte ausgebügelt werden. 

Das Huawei MatePad Paper ist übrigens derzeit nur außerhalb Österreichs erhältlich - beispielsweise im Huawei-Store von Deutschland. Über die Verfügbarkeit in Österreich liegen derzeit noch keine Informationen vor.

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Florian Christof

FlorianChristof

Großteils bin ich mit Produkttests beschäftigt - Smartphones, Elektroautos, Kopfhörer und alles was mit Strom betrieben wird.

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