Anduril Barracuda: Günstige Marschflugkörper jagen im Schwarm
Die US-Armee ist auf der Suche nach neuen Marschflugkörpern. Und diese sollen vor allem eines sein: günstig und schnell zu produzieren.
Genau das will Anduril machen. Das junge Rüstungsunternehmen hat seine neue Familie von Marschflugkörpern vorgestellt: Barracuda-M.
Es gibt 3 Größen: Barracuda-100, 250 und 500. Alle sollen durch ein Strahltriebwerk (Turbojet) angetrieben werden und bis zu 926 km/h erreichen. Damit fliegen sie mit Unterschallgeschwindigkeit. Marschflugkörper mit Unterschallgeschwindigkeit sind zwar leichter von Luftabwehr abfangbar, haben aber mehr Reichweite als Überschallraketen.
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Barracuda-100
Barracuda-100 ist die kleinste Version. Die Rakete hat einen Gefechtskopf mit 16 kg und eine Reichweite zwischen 110 und 150 Kilometer, je nachdem ob sie von der Luft oder dem Boden aus gestartet wird.
Neben Kampfflugzeugen und Drohnen, wie der MQ-9 Reaper, soll Barracuda-100 auch von Kampfhubschraubern gestartet werden können, wie dem AH-1Z Viper und AH-64 Apache. Sie könnte auch aus den Launchern der AC-130 abgefeuert werden und von Startern, die beispielweise auf Geländewagen oder leichten gepanzerten Fahrzeugen angebracht sind.
Ein direktes Gegenstück zur Barracuda-100 gibt es aktuell im US-Arsenal nicht. Von den Leistungsdaten her ist sie am ehesten mit der amerikanischen Luft-Boden-Rakete AGM-179 JAGM vergleichbar.
Die wurde 2022 in Dienst gestellt und löst ua. die AGM-114 Hellfire ab. JAGM hat mit 28 Kilometern eine deutlich geringe Reichweite und mit 9 kg einen leichteren Gefechtskopf als Barracuda-100, fliegt aber mit Überschallgeschwindigkeit.
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Barracuda-250
Die Barracuda-250 hat dieselbe Traglast wie das 100er-Modell, also 16 kg. Die Reichweite soll allerdings 270 bis 370 Kilometer betragen.
Der Marschflugkörper soll primär bei Kampf-Jets zum Einsatz kommen und in den internen Waffenschacht des Stealth-Fighters F-35 passen. Dadurch behält der Stealth-Fighter seine Tarnkappeneigenschaften. Werden Waffen stattdessen direkt unter den Flügeln befestigt, weil sie etwa zu groß sind, erhöht sich der Radarquerschnitt und damit die Chance, von der Luftabwehr entdeckt zu werden.
Anduril könnte sich vorstellen, dass die Barracuda-250 auch aus MLRS und HIMARS gestartet wird. Schiffe könnten ebenfalls bei Bedarf damit bewaffnet werden.
Barracuda-500
Das 500er-Modell ist das Größte der Barracuda-M-Familie. Es hat einen 45 kg schweren Gefechtskopf und eine Reichweite bis zu 925 Kilometer.
Derzeit sieht das Konzept nur einen Start durch Flugzeuge vor. Neben Kampf-Jets könnte Barracuda-500 aber auch von Transportflugzeugen aus gestartet werden. Die USA arbeiten mit Rapid Dragon an einem entsprechenden System.
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Gegen bewegliche Ziele geeignet
Unabhängig vom Modell, haben die Barracudas dieselben Konstruktionsmerkmale. An der Oberseite sind 2 Flügel, die nach dem Start ausklappten. Am Ende befinden sich Heckflossen, die ebenfalls ausgeklappt werden.
Laut Anduril eignen sich die Marschflugkörper zur Bekämpfung von Zielen an Land und Wasser – sie können also auch als Antischiffsrakete eingesetzt werden. Die Raketen sollen nicht nur statische, sondern auch bewegliche Ziele angreifen können.
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Derzeit würde man noch daran arbeiten, welche Suchköpfe und Zielsysteme eingesetzt werden. Vom Konzeptbild her dürfte das bei Barracuda-100 ein Infrarot- oder Radarsuchkopf sein, mit der möglichen Option auf einen Lasersuchkopf. Barracuda-250 und -500 werden vermutlich auf die für Marschflugkörper übliche Kombination aus GPS und Trägheitsnavigation setzen.
30 Prozent günstiger als vergleichbare Waffen
Anduril geht davon aus, dass jede Barracuda-Rakete durchschnittlich 30 Prozent günstiger als vergleichbare, bestehende Waffensysteme sein wird. Ein konkreter Preis wird nicht genannt. Die AGM-179A JAGM kostet beispielsweise 330.000 US-Dollar – die Barracuda-100 könnte dementsprechend 230.000 US-Dollar pro Stück kosten.
Bei den größeren Modellen wäre die Ersparnis ebenso größer. Die Barracuda-500 ist vom Einsatzprofil und der Reichweite her mit der AGM-158 JASSM vergleichbar, die aber mit einem 450 kg Gefechtskopf deutlich mehr Sprengkraft hat.
Eine AGM-158B kostet derzeit gut 1,6 Millionen US-Dollar. Mit Barracuda-500 könnte man hier pro Stück 480.000 US-Dollar sparen.
Billigere Produktion
Die Kostenersparnis will Anduril vor allem erreichen, indem die Herstellung vereinfacht wird, berichtet twz. Man verzichte auf 90 Prozent der teuren Spezialwerkzeuge, die andere Raketen für den Bau benötigen, genauso wie auf 50 Prozent der Teile. Daher könne Barracuda doppelt so schnell produziert werden, wie vergleichbare Waffensysteme.
Anduril hat seine Vision dafür in einem Animations-Video veröffentlicht:
Im Vergleich zu den epischen Actionvideos, die Rüstungshersteller üblicherweise veröffentlichen, wirkt der Anduril-Clip regelrecht frech. Das ist durchaus beabsichtigt. Das erst 2017 gegründete Start-up will frischen Wind in die Rüstungsindustrie bringen, die weltweit von einigen wenigen, großen Konzernen dominiert wird.
Das rote Hawaii-Shirt im Video ist eine Anspielung auf den Gründer von Anduril: Palmer Luckey. Der kommt eigentlich aus der Tech-Branche und war der Gründer von Oculus VR und Erfinder der VR-Brille Oculus Rift, mit der der gesamte Virtual-Reality-Markt neu belebt wurde. Eines seiner Markenzeichen sind Hawaii-Shirts.
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Jagen im Schwarm
Trotz der geringen Kosten soll Barracuda über KI-Funktionen verfügen, ähnlich wie bei der AGM-158C LRASM. Die Antischiffsrakete kann als Schwarm abgefeuert werden. Die Marschflugkörper kommunizieren dann miteinander, um sich etwa gegenseitig vor Luftabwehr zu warnen und abzustimmen, welche Rakete welches Ziel angreift.
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Laut Anduril wird Barracuda speziell designt, um in einer Gruppe oder einem Schwarm eingesetzt zu werden, mit einem hohen Grad an Autonomie. Dies hätte zu einem neuen Denkansatz geführt: Warum eine teure „Superrakete“ bauen, die alles können muss, wenn ohnehin eine Gruppe eingesetzt wird?
Anduril kann sich etwa vorstellen, dass es in diesem Schwarm eigene Barracudas gibt, die als Lockvogel dienen, Zielerfassungssysteme des Feindes jammen, einen Echtzeitscan des Schlachtfelds machen, Täuschkörper an Bord haben oder mit einem Radarsuchkopf gezielt die Luftabwehr angreifen, sollte die den Schwarm ins Visier nehmen. Anstatt alle diese Funktionen in jede einzelne Rakete einzubauen, was zu sehr hohen Stückkosten führt, teilt man diese Funktionen auf mehrere Raketen auf.
Barracuda sei dazu modular aufgebaut: Man könne also immer die für die Mission benötigten Marschflugkörper kurz vor dem Einsatz konfigurieren. Laut Anduril könne man sie „wie Legosteine auseinander- und zusammenstecken.“ Das würde auch den Transport erleichtern und den Export – etwa, wenn andere Länder wegen gesetzlichen Bestimmungen nur abgespeckte Marschflugkörper bekommen oder solche, die für die Anforderungen an die Region und Lage entsprechend angepasst sind.
Gegen China und Russland
Damit spricht Anduril indirekt die aktuelle Lage in der Ukraine an. Die USA suchen aktiv nach günstigen Marschflugkörpern für Kampf-Jets, die man der Ukraine zur Verfügung stellen kann. Von Großbritannien und Frankreich hat die Ukraine etwa die Exportversion von Storm Shadow/Scalp bekommen, die mittlerweile mit über 3 Millionen US-Dollar pro Stück sehr hoch bepreist ist.
Primär brauchen die USA selbst günstige Raketen. Man will sich damit für eine mögliche Auseinandersetzung mit China im Pazifik rüsten, falls China seine Drohung wahrmacht und in Taiwan einmarschiert. China stockt seine Streitkräfte gewaltig auf – nicht nur was die Stückzahlen angeht, sondern auch dem Grad der Modernisierung. Um bei einem Konflikt etwa die Luftabwehrsysteme der chinesischen Flotte und Stützpunkte zu überwinden, braucht man nicht nur viele Marschflugkörper für einen Sättigungsangriff, sondern auch einen raschen, stetigen Nachschub.
Hier passt Barracuda genau ins Profil: Schwarmfähig, schnellere Produktion und günstigerer Preis. Man könnte etwa die Barracuda für weniger wichtige Ziele einsetzen (Fregatten und Korvetten) und die teureren Raketen mit mehr Sprengkraft für Prioritätsziele nutzen, wie etwa Zerstörer und Flugzeugträger.
Neben Anduril bemühen sich auch andere US-Unternehmen günstige Marschflugkörper zu bauen. So hat etwa Ares Raketen angekündigt, die "10x kleiner und 10x günstiger" sind als jetzige Modelle.
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