Hera mit den beiden CubeSats Juventas und Milani und dem Asteroidensystem Didymos

Hera mit den beiden CubeSats Juventas und Milani und dem Asteroidensystem Didymos

© ESA - Science Office

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Österreichische Forscher machen Asteroidenabwehr sichtbar

Eine der spektakulärsten und wichtigsten Weltraummissionen der jüngeren Geschichte geht in die finale Runde: Die europäische Sonde Hera ist dafür auf dem Weg zum Asteroiden Didymos

Der 780-Meter-Fels wird von einem kleineren Asteroiden namens Dimorphos umkreist. Ihn hat die NASA vor 2 Jahren mit ihrer DART-Sonde in voller Absicht gerammt. Das Vorhaben war ein Abwehrtest. Durch den gezielten Aufschlag wollen Forscher ermitteln, wie sich ein potenziell gefährlicher Asteroid von seiner Bahn ab- und damit an der Erde vorbeilenken lässt. 

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Hera zeigt das Ausmaß der Zerstörung

Hera wird nun die Auswirkungen dieses Manövers untersuchen: Wie viel Material wurde aus Dimorphos geschlagen und wohin ist es verschwunden? Wie ist der Asteroid beschaffen und aus welchem Material besteht er? Nur mit genauer Kenntnis darüber lässt sich klären, ob die Menschheit solche Himmelskörper rechtzeitig abwehren könnte, die auf Kollisionskurs mit der Erde sind.

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Dafür ist Hera mit einer Vielzahl an Instrumenten ausgestattet: Mehrere optische Kameras fotografieren die Oberfläche, ein Thermalinfrarot-Sensor dient für Temperaturanalysen, eine Multispektralkamera erfasst die Zusammensetzung und Lidar ermöglicht Abstandsmessungen. 

Außerdem sind die beiden kleinen CubeSats Juventas und Milani an Bord, die sich vor Ort von der Sonde lösen. Juventas wird erstmals überhaupt einen Asteroiden mit Radar untersuchen und damit bis zu dessen Kern blicken. Milani sucht nach Staubpartikeln um den Asteroiden herum.

Die Datenflut sortieren 

Alle diese Sensoren sammeln enorme Datenmengen. Damit Forscher tatsächlich damit arbeiten können, müssen diese Informationen aufbereitet werden. Erledigt wird das von der Grazer Forschungsgesellschaft Joanneum Research. „Wir führen alles in einer räumlich geordneten Datenbank zusammen“, erklärt Projektleiter Gerhard Paar im futurezone-Interview. Alle Informationen der einzelnen Sensoren werden so vereint, dass schließlich eine 3D-Karte mit allen Messungen und Bildern entsteht.

Zusammen mit den Aufnahmen werden Metadaten gespeichert. „Sie beschreiben, wie, wo, wann, warum und unter welchen Bedingungen etwas aufgenommen wurde“, sagt Paar. Anhand von zusätzlichen Informationen, wie der Flugbahn und dem Aufnahmezeitpunkt, lässt sich auch ermitteln, auf welchen Bereich des Asteroiden die jeweiligen Instrumente blicken und wie weit sie entfernt sind.

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Größenvergleich der beiden Asteroiden

Mond und Erde helfen, Ungenauigkeiten zu finden 

Gestartet ist Hera am 7. Oktober, ihre Reise zum Didymos-System dauert fast genau 2 Jahre. Ihre ersten Bilder hat sie schon übermittelt: ein Foto des Mondes und der Erde. Das ist für die Arbeit der Joanneum Research wichtig, um mögliche Ungenauigkeiten rechtzeitig zu identifizieren und noch zu beheben. 

„Wir sind dabei, die Daten zu analysieren und zu vergleichen, was die Sensoren geschickt haben und was wir erwarten würden“, sagt Paar. Zeigen sich Fehler, etwa weil eine Kamera nicht exakt im geplanten Winkel ausgerichtet ist, kann das ausgeglichen werden. Das kann bei der Montage passiert sein, oder durch den Raketenstart, bei dem die Sonde und ihre Instrumente stark durchgeschüttelt wurden. 

Das erste Bild, das Hera sendete, zeigt Mond und Erde

Aus Bildern werden interaktive 3D-Modelle

Die von der Joanneum Research aufbereiteten Daten werden an das Wiener Visual-Computing-Forschungszentrum VRVis übermittelt. Die Bilder können dort mithilfe der selbst entwickelten Software PRo3D als 3D-Modelle dargestellt und analysiert werden. 

„Das ist ein interaktives System, mit dem man die 3D-Aufnahmen nicht nur ansehen, sondern auch Messungen vornehmen kann“, sagt Christoph Traxler vom VRVis der futurezone. Das Programm erlaubt es dem Hera-Wissenschaftsteam, die von den Sensoren gesammelten und von der Joanneum Research vereinten Daten anschaulich nutzbar zu machen. 

Wie viel Material ging verloren - und wo ist es?

„Man kann auch mit einzelnen Sensordaten Forschung betreiben, aber die Kombination lässt mehr Rückschlüsse zu. Auf einem Bild sieht man: Da ist ein Krater. Aber im 3D-Modell sieht man, wie tief er ist“, erklärt Paar die Wichtigkeit dieser Zwischenschritte für Forscher. „Man kann den Krater genau vermessen. Daran lässt sich das Volumen des Auswurfs ableiten“, beschreibt Traxler die Funktion.

Das ausgeworfene Material kann ebenfalls mit der VRVis-Software gesucht werden. Einen Teil dürfte man beim größeren Asteroiden Didymos finden, angezogen von dessen Schwerkraft. Aufgrund der Zusammensetzung lässt es sich identifizieren, aber auch, weil durch den Aufschlag der DART-Sonde ein Teil dieses Auswurfs geschmolzen sein dürfte. So lässt sich auch ermitteln, wie viel Material ins All abgegeben wurde und sich möglicherweise noch um die beiden Himmelskörper bewegt. 

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Schotter oder solider Felsbrocken

Neben dem Hauptziel, die Auswirkungen des Einschlags zu analysieren, sollen auch die Asteroiden selbst charakterisiert werden: Handelt es sich um solide Felsbrocken, Ansammlungen von Schotter, die von der Schwerkraft zusammengehalten werden, oder haben sie eine ganz andere Zusammensetzung? 

Das bestimmt, wie die Forscher die Ergebnisse des Einschlags interpretieren. So verstehen die Verantwortlichen, wie künftig andere Himmelskörper dieser Art auf das Abwehrmanöver reagieren könnten.

Gesteinsarten bestimmen

Auch hier liefert die VRVis-Software die nötigen Informationen, da sich wie bei einer Karten-App am Smartphone Informationen ein- und ausblenden lassen. „Das können Materialeigenschaften und -dichten an der Oberfläche sein. Geologen arbeiten aber auch oft mit sogenannten Wellenlängenfiltern, die mithilfe von Farbvisualisierungen anzeigen, welche Gesteinsarten vorkommen“, sagt Traxler.

Bei solchen sogenannten Falschfarben-Darstellungen werden den Gesteinsarten gut unterscheidbare Farben wie Grün, Blau und Rot zugewiesen. So lässt sich schnell visuell erfassen, welches Gestein wo und in welcher Menge auf der Oberfläche zu finden ist. 

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Erstes 3D-Modell von Didymos

Einen genauen Vorher-Nachher-Vergleich zum Zustand vor dem Abwehrtest wird es aus verschiedenen Gründen nicht geben. Zum einen war die DART-Sonde mit deutlich weniger Messinstrumenten als Hera ausgestattet. Zum anderen raste sie mit hoher Geschwindigkeit auf Didymos zu und nahm nur von der Aufschlagstelle einige Bilder auf, bevor sie mit ihm kollidierte. 

DART wurde aber von der Licia-Cube Sonde begleitet, die bei ihrem Vorbeiflug während des Einschlags über kurze Zeit aufschlussreiche Informationen zum Verlauf liefern konnte. Für ein genaues Dimorphos-Modell war ihr Abstand jedoch zu groß.

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Trotzdem hat VRVis und Joanneum Research aus den wenigen verfügbaren Daten ein 3D-Modell erstellt, das zumindest die derzeit verfügbaren Informationen vereint. „Wir konnten eine 3D-Rekonstruktion der Asteroiden-Mitte machen. Der Rest wurde künstlich ergänzt, da wir nicht wissen, wie er aussieht“, so Traxler. 

Dieses Modell von Dimorphos konnte VRVis und Joanneum Research anhand von DART-Daten zusammenstellen

Mit öffentlicher Software den Mars vermessen

Die gemeinsame Arbeit der beiden österreichischen Einrichtungen beschränkt sich aber nicht nur auf die Hera-Mission. Seit Jahren arbeiten sie mit der US-Weltraumagentur NASA sowie der europäischen ESA zusammen, um außerirdische Orte besser erforschbar zu machen. So werden hauptsächlich Marslandschaften dreidimensional rekonstruiert und dargestellt. 

Die Software PRo3D ist dabei öffentlich über Github zugänglich, kann also auch von Bürgerwissenschaftlern gratis verwendet werden. Die Daten selbst sind jedoch nicht alle offen im Netz verfügbar. Im Falle von Hera werden zunächst die bereits involvierten Forschungsgruppen die Möglichkeit erhalten, mit ihnen zu arbeiten. Dabei richtet sich das Programm vornehmlich an Geologen

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Nach Dimorphos kommt Apophis

Was sie damit herausfinden, wird auch für künftige Missionen relevant sein. So gab es erste Gespräche, die Methode auch bei der ESA-Mission Ramses einzusetzen. Sie soll eine Sonde zum 375 Meter großen Asteroiden Apophis schicken. 2029 wird er sich der Erde auf 32.000 km nähern und damit mit freiem Auge sichtbar sein. 

Als er 2004 entdeckt wurde, stufte man ihn als potenziell gefährlich ein, denn seine berechnete Flugbahn könnte ihn 2036 oder 2068 auf Kollisionskurs mit der Erde bringen. Inzwischen rechnet man nicht mehr damit, dass das in den nächsten 100 Jahren wirklich passiert. 

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Eine Untersuchung des Himmelskörpers soll aber mehr Aufklärung bringen. Sie wird zeigen, wie sich ein so naher Vorbeiflug an der Erde auf Apophis auswirkt. Die Forscher wollen so besser verstehen, wie Flugbahn und Beschaffenheit des Asteroiden dadurch beeinflusst werden.

Ramses muss 2028 starten, um rechtzeitig bei Apophis anzukommen

Ramses nutzt Hera-Instrumente

Dafür sollen einige baugleiche Instrumente benutzt werden, die jetzt bei Hera eingesetzt werden. Damit werden nicht nur Kosten und Zeit gespart, sondern bereits erfolgreiche und verlässliche Designs verwendet.

Auch für diese Mission werden Beobachtungen von NASA und ESA kombiniert. Während Ramses Apophis vor und während des Vorbeiflugs an der Erde begleitet, wird die NASA-Sonde OSIRIS-APEX ihn Monate später erreichen. 

So soll ein umfassender Einblick gewährt werden, wie sich der Asteroid über den gesamten Zeitraum der Erdannäherung verändert. Die Forscher können daraus Risikoabwägungen ableiten und Methoden entwickeln, wie man zeitgerecht auf eine drohende Gefahr durch einen solchen Asteroiden reagieren könnte. Die Ramses-Mission wurde vor wenigen Tagen offiziell gestartet, muss aber noch bei der ESA-Ministerratssitzung 2025 finanziert werden.

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Franziska Bechtold

frau_grete

Liebt virtuelle Spielewelten, Gadgets, Wissenschaft und den Weltraum. Solange sie nicht selbst ins Weltall kann, flüchtet sie eben in Science Fiction.

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